Montag, 23. September 2013

Pastellblaue Grüße

Deutschland hat gewählt. Die Sieger klopfen sich auf die Schultern und die Verlierer lecken ihre Wunden. Das alleine ist schon erwähnenswert, lehrte uns doch die Vergangenheit, dass es nach Bundestagswahlen prinzipiell nur Sieger gibt. Dass dies in diesem Jahr nicht zutrifft, liegt an den veränderten Zielsetzungen der Parteien. Manche wollen regieren, andere würden schon ganz gerne und wieder andere haben endgültig die Schnauze voll. Sie sind des Regierens überdrüssig und ziehen von dannen. Nach uns die Sintflut, könnten sie rufen, doch am ersten Tag nach der Wahl kämpfen sie noch mit den Fluten, die sie dem Zauberlehrling gleich selbst gerufen haben und nun nicht mehr loswerden.

Überrascht haben mich die überraschten Gesichter jener Politnasen, die sich „liberal“ ans Revers heften, während sie sich gleichzeitig am Gängelband der Wirtschaft durch die Manege führen lassen. Fünfzig Jahre lang haben sie die Politik in Deutschland geprägt, waren Königsmörder und Königsmacher zu einer Zeit, als die Partei noch Ohren besaß, mit denen sie den Stimmungen im Lande lauschen konnte. Als der dienstälteste Außenminister der Republik samt seinen Ohren in den Ruhestand ging und Möllemann durch eine sprunghafte Entscheidung auf seine Pension verzichtete, fasste die FDP den Vorsatz, sich selbst aufzulösen. Ein ganzes Jahrzehnt schrumpfte sie gletschergleich langsam, aber stetig, nicht prozentual, sondern substanziell.

Das „Guidomobil“, in dem Kanzlerkandidat Westerwelle durch die Republik spaßte, entpuppte sich zehn Jahre später als Zug, der nach Nirgendwo fuhr. Innerparteiliche Macht- und Grabenkämpfe ersetzten aktive und attraktive Politik. Nach der Demontage Westerwelles versuchten die Liberalen, ihre Boyband um Christian Lindner in den Charts zu platzieren, ohne freilich einen Hit in petto zu haben. Mit ihrem Frontmann Philipp Rösler, der über die politische Durchschlagskraft eines Plüschteddys verfügt, entmaterialisierte sich die Partei. Man zog sich aus dem Wahlkampf zurück, besetzte keine Themen, traf keine Aussagen, verzichtete auf Inhalte und hinterließ nur noch sanfte, pastellblaue Grüße, verkauderwelscht dargeboten von einem weinselig grinsenden Bruder Rainerle.

Geschichte wiederholt sich nicht und so stelle ich mir vor, wie Rudi Dutschke und Ulrike Meinhof auf einer Wolke sitzen, einen Joint rauchen und verwundert die Köpfe darüber schütteln, dass ausgerechnet die FDP zur führenden Kraft der außerparlamentarischen Opposition geworden ist, zumindest theoretisch, denn es mangelt den Liberalen an allem, was mit Kraft und Führung zu tun hat. Ob die APO, die bis gestern FDP hieß, noch einmal eine Rolle in der deutschen Politik spielen wird, darf getrost bezweifelt werden. Dutschke und Meinhof sind schon lange tot.



Montag, 9. September 2013

Berichtigen Sie Fehler

Der Sommer geht langsam zu Ende und der KUGELKOPF kehrt zurück. Die letzten Wochen hätten ruhig und entspannt verlaufen können, wäre da nicht diese Kleinigkeit zu erledigen gewesen. Als Selbstverleger (Neudeutsch: Selfpublisher) hat mich Amazon aufgefordert, meine Steuerdaten bis zum 25.10.2013 zu aktualisieren, da sonst keine weiteren Tantiemen gezahlt werden würden. Nichts leichter als das, dachte ich mir, denn als Unternehmer führe ich seit vielen Jahren meine Bücher selbst, erarbeite meine Steuererklärungen ohne fremde Hilfe und kenne mich deshalb in dem Metier ein wenig aus. Weit gefehlt! Ich hatte nicht die leiseste Ahnung, welche Schwierigkeiten dabei auftreten können und wie viel Nerven mich das kosten würde.

Nichts Böses ahnend klickte ich das elektronische Formular auf der entsprechenden Amazon-Seite an. Die ersten Fragen, ob ich US-Bürger und/oder in den USA steuerpflichtig sei, waren schnell und einfach beantwortet. Da ich beides verneinte, wurde ich auf Seite 4 aufgefordert, meine persönlichen Daten einzugeben. „Wenn Sie eine Einzelperson sind, geben Sie Ihren vollständigen Namen ein.“ stand da zu lesen und darunter „Initialen des ersten und zweiten Vornamens“. Ja, was denn nun? Ich entschied mich für das einfache „RALF“ beim Vornamen und trug die vier Buchstaben in das entsprechende Feld ein, danach „KURZ“ beim Feld für den Nachnamen. Meine Adresse (Straße und Hausnummer, Postleitzahl und Ort, Bundesland und Staat) waren bereits voreingetragen, da Amazon diese Daten von mir bereits besitzt. Nachdem ich diese Adresse als gültig erklärt hatte, klickte ich auf „Fortfahren“.

„Bitte berichtigen Sie Fehler, um fortfahren zu können“ Die Meldung kam überraschend und so überprüfte ich meine Eintragungen „RALF“ und „KURZ“. Beides war richtig geschrieben, doch dann fiel mein Blick auf „Initialen des ersten und zweiten Vornamens“. Aha, dachte ich, löschte meinen Vornamen und gab lediglich ein „R“ ein, da mein zweiter Vorname bei Amazon nicht bekannt ist. Ein Klick auf „Fortfahren“ und …

„Bitte berichtigen Sie Fehler, um fortfahren zu können“ Das war es also nicht. Ich gab zwei Initialen ein, klickte auf „Fortfahren“ und erhielt die Meldung: „Bitte berichtigen Sie Fehler, um fortfahren zu können“ Ein wenig genervt setzte ich jeweils einen Punkt nach dem entsprechenden Buchstaben, klickte abermals auf „Fortfahren“ und …  „Bitte berichtigen Sie Fehler, um fortfahren zu können“ Dann also keine Punkte! Ich versuchte es mit Leerzeichen - „Bitte berichtigen Sie Fehler, um fortfahren zu können“ – mit Kommas - „Bitte berichtigen Sie Fehler, um fortfahren zu können“ – mit Kleinbuchstaben - „Bitte berichtigen Sie Fehler, um fortfahren zu können“ – schrieb beide Vornamen aus - „Bitte berichtigen Sie Fehler, um fortfahren zu können“ – kehrte zur vorherigen Seite zurück und versuchte es erneut. Jede meiner Eingaben wurde mit „Bitte berichtigen Sie Fehler, um fortfahren zu können“ quittiert.

Ich fuhr nicht fort, sondern langsam aus der Haut. Vor Ärger vor mich hin grummelnd überprüfte ich alle Angaben. Ab und zu war die Meldung aufgetaucht: „Es dürfen nur Buchstaben, Ziffern und die Sonderzeichen & - , ' / # . % verwendet werden.“ Ich hatte jedoch kein einziges Zeichen verwendet, das diesen Anforderungen widersprochen hätte. Nach einer Stunde schließlich gab ich auf. Ich hatte es nicht geschafft, meinen Namen auf eine Art einzugeben, die das Programm bewogen hätte fortzufahren. Um Hilfe bittend wandte ich mich in einer eMail an Amazon und schilderte mein Problem, das genau betrachtet eigentlich ein Problem von Amazon war. Einen Tag später erhielt ich eine eMail mit folgender Antwort: „Leider kann ich Ihrer E-Mail nicht entnehmen, welche Fehlermeldung Sie konkret erhalten.“

Nur mit Mühe gelang es mir, nicht in die Kante meines Schreibtischs zu beißen. Ich klickte auf „Antworten“ und schrieb eine neue eMail, in der ich ganz ausführlich über mein Problem berichtete. Als ich sie absenden wollte, klärte mich web.de darüber auf, dass die eMail-Adresse ungültig sei und die Antwort nicht verschickt werden könne. Aarrgghhh!!!

Es dauerte einige Minuten, bis Puls und Blutdruck wieder ihr normales Niveau erreicht hatten, doch dann lächelte ich grimmig. So leicht wollte ich mich nicht geschlagen geben! Angriffslustig rief ich die Amazon-Seite wieder auf und versuchte mich erneut an der Eingabe meines Namens für die Steuerdaten. Das Ergebnis war niederschmetternd, denn die Prozedur wiederholte sich auf die gleiche Weise wie zwei Tage zuvor. Ich schaffte es wieder nicht, meinen Namen auf eine Weise einzugeben, die das Programm akzeptieren wollte. Es verging eine weitere Stunde, bis ich schließlich die weiße Fahne hisste.

Die eMail von Amazon endete folgendermaßen: „Habe ich Ihre Frage zufriedenstellend beantwortet?“ Für beide Varianten JA oder NEIN gab es jeweils eine Internetseite, die im betreffenden Fall anzuklicken wäre. Im Bewusstsein meines Scheiterns klickte ich also die entsprechende Seite an und schilderte mein Problem erneut. Der Tag ging, doch es kamen weder Johnny Walker noch eine Antwort, auch nicht am zweiten Tag, nicht am dritten und nicht am vierten …

Keine Steuerdaten bedeuteten auch keine zukünftigen Tantiemen mehr. Amazon antwortete nicht und ich hatte das Problem noch immer nicht gelöst. Mit wenig Zuversicht setzte ich mich an meinen alten Rechner, der ebenfalls über eine Internetverbindung verfügt, doch ihm gelang es nicht einmal, die gewünschte Seite aufzubauen, während mein Notebook daneben stand und mich hämisch anzugrinsen schien. Aufgeben ist keine Option, dachte ich und ließ bedrohlich die Gelenke meiner Finger knacken. Meine Mordlust in den Hintergrund drängend startete ich den dritten Angriff. Das Durchklicken ging sehr schnell, denn ich kannte die entsprechenden Fragen und Antworten bereits. Es dauerte nur wenige Sekunden, bis ich die Seite „Persönliche Angaben“ erreichte – und vermutlich ahnen Sie bereits, was dann der Eingabe meines Namens folgte: „Bitte berichtigen Sie Fehler, um fortfahren zu können“. Kein Vorname und keine Initialen waren gut genug, um fortfahren zu können. Das Blut rauschte in meinen Ohren und meine Kiefer hatten zu mahlen begonnen. Mit dem letzten Rest Gelassenheit, den ich noch aufbringen konnte, überprüfte ich jede einzelne Angabe, auch die, die vom Programm bereits vorgegeben waren. Nichts, keine Fehler, alles korrekt! Ich wandte mich ab und dachte nach … dachte nach … dachte nach … und vor meinem inneren Auge erschien plötzlich wieder die Erklärung: „Es dürfen nur Buchstaben, Ziffern und die Sonderzeichen & - , ' / # . % verwendet werden.“


Plötzlich traf mich die Erkenntnis mit der Wucht von Thors Hammer. In einem vom Programm selbsttätig ausgefüllten Feld stand der Name des Bundeslandes, in dem ich wohne: BADEN-WÜRTTEMBERG. Mit einer Sicherheit, die den Tiefen des Instinkts entsprang und die keinen Raum für Zweifel ließ, wusste ich plötzlich, dass ich die Lösung gefunden hatte. Amazon ist ein amerikanisches Unternehmen und dort hat man kein Verständnis für das „Ländle“! Mit zitternden Fingern setzte ich mich wieder an meinen Schreibtisch und ersetzte das „Ü“ durch „UE“: BADEN-WUERTTEMBERG. Es kam, wie es kommen musste. Ich klickte auf „Fortfahren“ und die nächste Seite öffnete sich in Sekundenschnelle. Zu Tränen gerührt verabschiedete ich mich von der antiquierten Vorstellung, das „Ü“ könnte ein ganz normaler Buchstabe sein.

Dienstag, 13. August 2013

Wer will schon nach Mainz?

Ja, das waren noch Zeiten, als die schwäb´sche Eise´bahn von Stuttgart über Ulm und Biberach brave Bäuerle beförderte und man am Schalter ein Billetle kaufen konnte. Wenn man den stets pünktlichen Zug gerade noch auf den letzten Drücker erwischte, erstand man seinen Fahrschein beim Schaffner, suchte sich einen Sitzplatz und dachte nicht darüber nach, ob man den Anschlusszug noch bekommen würde. Früher war halt alles besser, da sind wir uns doch einig, oder?

„Schmarrn!“, wird uns Peter Ramsauer, Bundesminister für die kostengünstige Verschickung humaner Reisegüter, entgegenschleudern. Seit vielen Jahren wird die Bahn verbessert. Man entwickelt neue Konzepte, trennt den Zug wirtschaftlich von der Schiene und schließt kostenintensive Service-Points, um zu verhindern, dass Kunden, die früher Reisende hießen, falsch beraten werden. Da also die Bahn über Jahrzehnte ständig verbessert wurde, kann früher überhaupt nichts besser gewesen sein. Logisch? Nein, falsche Frage. Die richtige Frage lautet: Basta!

Kein anderer Kostenfaktor bietet so viel Einsparpotenzial wie der Mitarbeiter. Aus einem Schaltschrank kann man keine Sicherung entfernen, ohne dass das System zusammenbricht, aber eine Belegschaft kann man locker um die Hälfte verringern. Wozu braucht man Schalter, wenn es Automaten gibt? Begeisterte Kunden nutzen ihre neu erworbene Freiheit beim Surfen im Internet und finden so immer neue Wege, die nach Rom führen, selbst wenn sie eigentlich nach Braunschweig wollen. Sie drucken ihre Fahrscheine zuhause aus und genießen die rasante Fahrt meist stehend und in geselliger Runde. Natürlich kann man auch eine Sitzplatz-Reservierung buchen und hat damit einen Sitzplatz in Reserve, falls der Zug wider Erwarten doch nicht überfüllt sein sollte. Immer schnellere Züge bieten immer mehr Verspätungspotenzial und das Umsteige-Bingo ist nach der Ziehung der Lottozahlen das bekannteste Glücksspiel in Deutschland. Die Bahn kommt. Jede Frage nach dem „wann“ zeugt von Kleingeistigkeit und würde die lange Tradition von Freiheit und Abenteuer zunichte machen, die wir uns seit dem Orientexpress und der Transsibirischen mühsam bewahrt haben.

Die enormen Effizienzsteigerungen, die wir seit Jahren beobachten, haben natürlich auch dazu geführt, dass Bahnfahren immer billiger wurde. Die Fahrten kosten zwar immer mehr Geld, doch aus dem luxuriösen Beförderungsmittel von einst ist heute ein billiger Viehtransporter geworden, in dem sich schwitzende Leiber gegeneinander drängen, eingepfercht in rasende Sardinenbüchsen, von denen wir hoffen, dass sie dort ankommen, wohin wir eigentlich wollen – zum Beispiel nach Mainz – während wir jeden Gedanken an Wartungsintervalle aus unserem Bewusstsein verdrängen. Wir ertragen all dies klaglos, denn in unserem tiefsten Inneren erfüllt uns der Gedanke, dass die Bahn das ökologischste aller Transportmittel ist, mit tiefer Befriedigung. Zurück zur Natur kann nur mit der Bahn gelingen, in deren Zügen wir im Sommer schwitzen und im Winter frieren – ganz so, wie es sein soll.

Im Ringelreihen der Wahlkampfthemen hat die Bahn jetzt ebenfalls einen Platz gefunden. Es wird diskutiert, vor- und zurückgeschlagen und jeder hat etwas beizusteuern. Regierung, Opposition und Experten streiten um die richtige Richtung, um Geld und Wählerstimmen, doch am Schluss wird es so sein wie immer und das Ende ist absehbar. Wer nur eingleisig denkt, darf sich nicht wurden, wenn sein Zug nach Nirgendwo fährt.

Montag, 5. August 2013

Mein Recht auf Gemüsesuppe

Grün ist die Hoffnung, sagt ein altes Sprichwort, doch nach meiner Meinung ist es hoffnungslos daneben, was Frau Künast in einem Interview kürzlich zum Besten gab. Sie plädiert für die Einführung eines „Veggie-Day“. Einmal abgesehen davon, dass „Gemüsetag“ auch ein schönes Wort ist, aber leider längst nicht so „hip“ (modern) klingt wie „Veggie-Day“, ist die Idee, die dahintersteckt, im Grunde wirklich nicht schlecht. In Deutschland ist der Konsum von Fleisch und Fleischprodukten ziemlich hoch und es würde nicht schaden, ihn ein wenig nach unten zu fahren. 

Gut gemeint ist wieder einmal das Gegenteil von gut gemacht. Der „Veggie-Day“ passt deshalb unglaublich gut in die politische „Sour-Gherkin-Time“ (Saure-Gurken-Zeit) zwischen Sommeranfang und Bundestagswahl. Ausgerechnet die Partei jener Leute, die in ihrer Gründungsphase den liberalen Gedanken bis über die Schmerzgrenze hinaus strapaziert haben, ruft nach einem Verbot. In deutschen Kantinen soll nach dem Willen der Gurkentruppe per Gesetz vorgeschrieben werden, dass an einem Tag pro Woche weder Fleisch noch Wurst, des Deutschen liebstes Gemüse, verkauft werden darf. Die Menüauswahl soll sich dann auf vegetarisch vs. vegan beschränken. Das sei gut für das Klima, so Künast weiter. Ich komme nicht umhin, ihr zuzustimmen, vor allem, wenn französische Zwiebelsuppe oder Bohnen mit Lauchgemüse serviert werden.

Wie sehr die Grünen im real existierenden Politikbetrieb angekommen sind, zeigt der Ruf nach einem Verbot. Es genügt nicht, dass in den meisten deutschen Kantinen bereits vegetarische Gerichte angeboten werde – und zwar täglich! – hier muss Big Sister Renate herrschend eingreifen. Ich ahne bereits, dass es dann auch einen „Make-Down-Day“ (einen Tag ohne Make Up)  geben wird, weil Kosmetika mit Hilfe von Tierversuchen entwickelt werden. Ein „Feierabendsprudel-Tag“ ohne Bier, ein „Hot-Water-Day“ (Kaffee ohne Kaffee, ohne Milch und ohne Zucker) und ein „Bio-Kondom-Tag“ (Jute statt Plastik) werden folgen. Man könnte den Bürgern jeden Tag etwas verbieten und sie so von der lästigen Mühe eigener Entscheidungen befreien. Jedes Verbot ließe sich sicherlich auch ökologisch begründen und nachhaltig verfolgen. Nur den „Keinen-Senf-Tag“, einen Tag ohne debiles Politikergeschwätz, wird es vermutlich niemals geben.


„Grüne wollen uns das Fleisch verbieten!“ titelt bereits die BILD-Zeitung, jener unerschrockene Kämpfer für die deutsche Grillgemütlichkeit. Ich stimme selten mit dem amtlichen Stammtisch-Sprachrohr überein und auch wenn mein wöchentlicher Fleischkonsum eher gering ist, so will ich mir dennoch nicht in meinen täglichen Speiseplan hineinreden lassen.  Wenn ich morgen Lust auf eine Gemüsesuppe habe, will ich nicht bis zum „Veggie-Day“ warten müssen.

Mittwoch, 31. Juli 2013

Rückgaberecht

Hei, wie lustig das Fett spritzt, wenn jemand ins Näpfchen springt, nicht wahr, Jan Ullrich? Man solle Lance Armstrong die sieben wegen Dopings aberkannten Toursiege zurückgeben, weil niemandem damit geholfen sei, wenn in den Siegerlisten nur Striche stünden, verlautbarte der einstige Vorzeigestrampler der Telekom-Mannschaft in der Sport-Bild. Die Zeit sei damals eben so gewesen, so Ullrich weiter.

Der einzige deutsche und noch nicht aus der Siegerliste gestricheneTour-de-France-Gewinner (1997), der 1997 und 2003 zum „Sportler des Jahres“ gewählt wurde, ist ein überführter Doping-Sünder. Die religiöse Komponente dieses Vergehens leuchtet mit nicht ganz ein, denn in meinen Augen ist Ullrich ein Doping-Betrüger. Er hat nicht wider den Herrn gehandelt, sondern wider die Bestimmung, die besagt, dass leistungssteigernde Mittel im sportlichen Wettkampf verboten sind. Wer sie dennoch einsetzt, ist ein Betrüger. Selbst Ullrich sollte das mittlerweile erkannt haben.

Man mag es Borniertheit nennen, Arroganz, Unverbesserlichkeit oder schlicht Dummheit. Vielleicht hinkt Ullrichs Intelligenz hinter der Anzahl seiner Pedalumdrehungen pro Minute zurück, vielleicht aber liegt dem Ganzen auch ein raffinierter Plan zugrunde. Möglicherweise wurde Ullrich von zwielichtigen Männern und Frauen angestachelt. Er ist vielleicht nur die dumpfbackige Speerspitze einer Bewegung, die für ein uneingeschränktes Rückgaberecht kämpft. Sollte sich Ullrich mit seiner Idee durchsetzen, dann werden viele andere jubeln. Guttenberg, Koch-Mehrin und Schavan erhalten ihre Doktortitel zurück, der Fälscher Konrad Kujau bekommt seine Hitler-Tagebücher wieder und Frankreich das Saarland. Möglicherweise stecken auch die Anwälte von Uli Hoeneß dahinter und der Vorsitzende des Aufsichtsrats der FC Bayern München AG wird seine hinterzogenen Steuermillionen behalten.

Ich weiß, ich weiß, für eine Verschwörungstheorie ist das ziemlich dämlich, aber was soll man machen? Es muss einen Grund geben, warum Ullrich diese Aussage einem Journalisten in den Block diktiert hat. Wenn man hier Ursachenforschung betreibt, dann stößt man jedoch auf einen bemerkenswerten Sachverhalt. Im Jahre 2008 hat Ullrich einen Prozess gegen Günther Dahms, den früheren Chef des Coast-Rennstalls, gewonnen, weil Dahms die Zahlungen aus einem Drei-Jahres-Vertrag zwischen Ullrich und Coast mit der Begründung eingestellt hatte, Ullrich habe im ersten Quartal 2003 gedopt. Ullrich hat diese Vorwürfe damals vor Gericht unter Eid bestritten und so den Prozess gewonnen, der ihm 340.000 Euro plus Zinsen eingebracht hat. Knut Marel, der damalige Anwalt von Dahms, will Ullrich jetzt wegen Falschaussage anzeigen und dem einstigen Pedaleur droht bei einer Verurteilung eine Gefängnisstrafe von nicht weniger als einem Jahr. In diesem Licht betrachtet, handelt Ullrich äußerst klug. Er kann nicht verurteilt werden, wenn seine Unzurechnungsfähigkeit festgestellt wird. Mit seinen geistigen Arschbomben in die Fettnäpfchen tut er zumindest alles dafür.


Sonntag, 28. Juli 2013

Tagebucheintrag eines Unsterblichen

aus dem Tagebuch des Giacomo Casanova
28. Juli 2013

Über zweihundert Jahre ist es nun her, seit ich meinen letzten Atemzug ausgehaucht habe. Zwei Jahrhunderte, in denen das Können längst vergangen, das Wollen mir aber stets erhalten geblieben ist. Welche Plage, welche Marter war es in den ersten Jahren, all die begehrenswerten Frauen zu sehen und gleichzeitig nicht einmal eine Locke ihres Haares berühren zu können. Geisterhaft und körperlos blieb mir lediglich die Betrachtung und doch habe ich im Lauf der Zeit ein Vergnügen daran gefunden, das zu Lebzeiten ich mir nicht im Entferntesten vorzustellen vermocht hätte.

Wenn es jemals etwas gab, das mich interessiert und meine ungeteilte Aufmerksamkeit auf sich gezogen hatte, dann war es das Wesen der Frau. Mit meinem Tode dem alternden Körper entflohen hatte ich Muße, mich völlig und ausschließlich dem Studium des anbetungswürdigsten aller Geschöpfe hinzugeben. Wie oft habe ich sie betrachtet, während das Rad der Zeit sich unaufhaltsam weitergedreht hat, mit wechselnden Moden und sich ändernden Schönheitsidealen! Das Wesen der Frau mag dabei stets gleich geblieben sein, ihr erwachendes und später beständig wachsendes Selbstbewusstsein jedoch hat viele auf eine Art erblühen lassen, die zu meinen Lebzeiten noch undenkbar gewesen war. Ich will die vergangenen beiden Jahrhunderte hier nicht Revue passieren lassen, noch will ich bedeutende Ereignisse schildern. Man mag dies getrost in den Geschichtsbüchern nachlesen. Meine heutige Betrachtung währt nur einen kurzen Augenblick in der langen Geschichte weiblicher Offenbarung.

Seit den Zeiten des Homer und seiner Helden waren die Leibesertüchtigung und der sportliche Wettkampf eine Domäne ausschließlich zumeist junger Männer. Die Wiederbelebung des olympischen Geistes durch den französischen Pädagogen und Historiker Pierre de Coubertin Ende des 19. Jahrhunderts öffnete jedoch den Frauen ein Feld, auf dem sich zu tummeln zu mancher Augenweide geführt hat, die ich heute nimmer mehr missen möchte. In den letzten beiden Wochen habe ich unzählige Frauen dabei beobachtet, wie sie ihre Kunstfertigkeit, einen Ball mit Füßen zu treten, im sportlichen Wettkampf unter Beweis gestellt haben. Den Liebhabern dieser Beschäftigung sei dies auf das Wärmste empfohlen, denn jener große Graben, der Männer und Frauen jahrzehntelang getrennt hatte, existiert längst nicht mehr. Auch wenn heute an den Stammtischen dörflicher Wirtshäuser noch hie und da die gegenteilige Meinung vertreten wird, so rufe ich jenen Ignoranten zu, dass sie Narren seien und blind für das, was dem männlichen Auge eine solche Wohltat beschert.

Vielen würde ich Unrecht tun, ließe ich sie hier unerwähnt und doch muss ich mich beschränken, um den Leser mit einer unendlich erscheinenden Liste nicht gar zu sehr zu langweilen. So seien hier Exempel gegeben, die auch für jene anderen stehen, welche mein Auge ergötzt und mein Herz erfreut haben.  Welch holde Anmut erblüht auf dem Gesicht einer Louisa Nécib, welch kühle Schönheit zeigt uns Josefine Öqvist und wie begehrenswert erscheint mir die jugendliche Frische einer Anouk Hoogendijk? Viele der schönsten Frauen Europas verzaubern uns mit ihrem Spiel, ihrem Können und ihrem Willen zu triumphieren. Welcher Mann träumt nicht von der grenzenlosen Leidenschaft begehrenswerter Frauen und wie viel davon sahen wir beim Wettkampf zwischen Deutschland und Schweden? Mein Herz flog Lena Goeßling zu, die ob der Anstrengung heftig atmend mit glühenden Wangen und unbeugsamem Blick ihre Gegenspielerin beobachtete, während sich ihr Busen hob und senkte. So manches Mal schnalzte ich mit der Zunge, wenn Lena Lotzen, deren Beschreibung nur eine Ode gerecht werden könnte, ihre Gegenspielerinnen mit artistischer Raffinesse übertölpelte, einer Kunstfertigkeit, die selbst so manchen gestandenen Innenverteidiger der Bundesliga vor Neid erblassen ließe. Das herausragende Können einer Stina Lykke Petersen, auf die ein einziger Blick zu werfen mir genügte, um sie in mein Herz zu schließen, bescherte den Däninnen mit ihren Paraden und drei gehaltenen Elfmetern den Einzug ins Halbfinale. Noch seitenweise könnte von der gazellenhaften Schnelligkeit einer Élodie Thomis, der schier unendlichen Ausdauer einer Simone Laudehr oder der beeindruckenden Präsenz einer Célia Okoyino da Mbabi schreiben, ohne dabei Dzsenifer Marozsán, Roberta D’Adda oder Margrét Lára Viðarsdóttir und so viele andere zu vergessen.


Wie begehrenswert sind all jene, in deren jugendlichen Körpern die Leidenschaft brennt und welche Anziehung übt der Selbstbewusstsein versprühende Blick dieser Frauen auf mich aus! Welcher Mann, in dessen Lenden noch der Trieb sich regt, kann dieses Spektakel, dieses exquisite Schauspiel wetteifernder und in höchstem Maße appetitlicher Körper, sich entgehen lassen, wenn selbst in mir, der ich doch allen körperlichen Genüssen längst entsagen musste, das Verlangen ob dieses Anblicks noch immer lodert! Noch einmal rufe ich Euch zu, dass ihr Narren und unverbesserlich seid, wenn ihr heute Abend dem letzten Spiel nicht beiwohnen möget, wenn im finalen Wettstreit Schönheit gegen Schönheit steht und das Auge des Betrachters sich nicht abwenden kann, ohne die Gefahr heraufzubeschwören, einen erhabenen Augenblick zu verpassen, in der sich einer jener schönsten Funken der Schöpfung Gottes uns offenbart: eine leidenschaftliche Frau!

Freitag, 26. Juli 2013

Er hat noch Vertrag

Viel zu oft höre oder lese ich Sätze, bei denen ich mich frage, ob der Sprecher oder Schreiber einen Schulabschluss besitzt, der das Fach Deutsch einschließt. Ich meine hier nicht Otto Normalverbraucher oder ganz allgemein Menschen, für die Sprache lediglich ein Mittel zur Kommunikation ist. Ich schreibe hier von Leuten, denen die deutsche Sprache als Broterwerb dient und von denen man annehmen sollte, dass sie diese Sprache auch beherrschen, in der sie sich auszudrücken versuchen. Die Rede ist von Journalisten.

Wer nicht gerade als Quereinsteiger für die Medien arbeitet, hat meist Journalismus, vielleicht auch Germanistik studiert. Warum diese Hochgebildeten jedoch mit Nachdruck den Niedergang der deutschen Sprache vorantreiben, ist mir ein Rätsel. Vielleicht finden sie es cool, wenn ihr Geschwafel so klingt, als wäre Deutsch ihre erste Fremdsprache. Sie ahnen vermutlich nicht einmal, dass es nicht cool, sondern einfach nur dämlich ist.

 „Mario Götze, Sie haben noch Vertrag bis 2014“, hörte ich einen Journalisten beim Interview mit einem talentierten Fußballspieler sagen. Sie haben noch Vertrag? Wo ist der an dieser Stelle notwendige unbestimmte Artikel „einen“ geblieben? Alle Fußballer haben mittlerweile Vertrag. Man hört es ständig und fragte sich zwangsläufig, ob ein korrekt gebildeter Satz die geistigen Fähigkeiten eines interviewten Sportlers überfordern würde oder die des Journalisten. „Und Sie, Herr Journalist“, möchte ich erwidern, „haben Sie noch Arbeitgeber?“

„Die deutsche Mannschaft, sie ist auf dem Platz“, erklärt uns ein anderer.  Woher kommt dieses völlig überflüssige „sie“? Welchen Sinn hat diese merkwürdige Satzkonstruktion und was will der Journalist damit ausdrücken? Warum ist sie plötzlich so sehr in Mode gekommen, nicht nur im Sport, sondern generell („Der Wald, er erholt sich“ oder „Die Antarktis, sie wird kein Naturschutzgebiet“)?

Irgendjemand muss den Journalisten beigebracht haben, dass eine Frage durch das Wort „wie“ gekennzeichnet ist und seither stürmen die Pressevertreter mit ihren rhetorischen Scheuklappen durch den Mediendschungel, ohne nach rechts oder links zu sehen. Beim Interview mit dem CSU-Abgeordneten Manfred Weber fragte der Vertreter der Südwest-Presse: „Wie überrascht sind Sie von der Ausspäh-Affäre?“ Kann Herr Weber diese Frage überhaupt vernünftig beantworten? Welche Facetten bietet Überraschung, aus denen man auswählen kann? Noch  weniger verständlicher ist die Frage eines Vertreters von op-online: „Herr Müller, wie groß ist die Enttäuschung bei Ihnen, jetzt, fünf Tage nach der Wahl?“ Was soll Herr Müller erwidern, einen Metzer sechsundsiebzig vielleicht? In welcher Einheit misst man Enttäuschung?

Gestern stach mir eine Schlagzeile bei web.de ins Auge und ich bin froh, dass ich keine Verletzung davongetragen habe. In großen Lettern stand zu lesen: Kann Lena „Supertalent“? Ich konnte es kaum glauben und las die Zeile noch einmal: Kann Lena „Supertalent“? Wer Lena ist, interessiert mich nicht, doch ich möchte dem Verfasser dieser Schlagzeile entgegenrufen: „Hast du deutsch?“


Mittwoch, 24. Juli 2013

Zweiter Tag der Empörung

Vorgestern habe ich über das Thema "Steuerverschwendung" geschrieben, ein Tatbestand, der im Gegensatz zur Steuerhinterziehung nicht strafbar ist. Es ist demnach völlig legal, Millionen und Milliarden Euro aus dem Fenster zu werfen, gleichzeitig aber neue Schulden aufzunehmen, deren Zins und Tilgung dem Steuerzahler aufgebürdet wird. Alleine die Überschreitung der kalkulierten Kosten für "Stuttgart 21" und den neuen Berliner Flughafen kostet uns einhundert Millionen Euro Zinsen - jährlich!

Einhundert Millionen Euro Zinsen jährlich, und das nur, weil in den entscheidenden Positionen Dilettanten sitzen, die von Tuten und Blasen keine Ahnung haben? Das ist absurd, grotesk, erschreckend - und nicht hinnehmbar! Die Baugruben in Berlin und Stuttgart werden offensichtlich nicht mit Beton, sondern mit Geld ausgegossen. Fatalerweise sind das nur zwei Beispiele von vielen. Wer weiß, wie viel Geld tatsächlich Jahr für Jahr in Rauch aufgeht, während es langsam durch dem Kamin davonweht?

Wir alle müssen dieses Geld erwirtschaften und in Form von Steuern an den Staat abführen. Sie werden uns nicht nur vom Einkommen abgezogen. Wir zahlen auch Mehrwertsteuer, Mineralölsteuer, KFZ-Steuer, Ökosteuer, Versicherungssteuer, Branntweinsteuer, Hundesteuer, den Soli und so weiter und so fort. Die Liste ist lang und die Steuereinnahmen sprudeln. Verfügungsberechtigte sind die Minister, die das Geld mit stetig wachsender Begeisterung ausgeben, denn schließlich ist es ja nicht ihr eigenes. Wenn der Topf leer ist, nimmt man neue Kredite auf, ohne dass die Schufa etwas zu melden hätte. Zins und Tilgung zahlen schließlich andere.

Steuern müssen erhoben werden, damit der Staat seinen Aufgaben nachkommen kann (innere und äußere Sicherheit, Gesetzgebung und Rechtsprechung, Verwaltung, Kindergärten, Schulen und Hochschulen, Verkehrswege etc.). Dass jedoch Unsummen von Steuergeldern Jahr für Jahr sinnlos - oder schlimmer noch: dilettantisch - verschleudert werden, ist empörend! Kaum jemand wird das anders sehen und deshalb rufe ich heute alle Bürger auf, ihre Empörung an die richtige Adresse zu richten:

Bundesfinanzministerium
Referat für Bürgerangelegenheiten

Tel: 03018 / 682 - 33 00


In seiner Eigenschaft als Bundesfinanzminister ist Wolfgang Schäuble der Hauptverantwortliche. Rufen Sie im Ministerium an und drücken Sie Ihre Empörung über die Steuerverschwendung aus! Je mehr Menschen sich daran beteiligen, desto mehr werden die Drähte glühen. 

Sie sind Bürger – machen Sie den sorgsamen Umgang mit Ihrem Geld zu Ihrer Angelegenheit! 
Es ist Wahlkampf – geben Sie der Politik ein Feedback und heizen Sie „denen da oben“ richtig ein! 
Beteiligen Sie sich an der Aktion "Tag der Empörung", ein einziger Anruf genügt!
Fordern Sie Freunde und Bekannte auf, es Ihnen gleich zu tun!
Sie sind Bürger, Souverän in diesem Staat. Politik und Verwaltung handeln in Ihrem Auftrag. Erinnern Sie sie daran, dass sie auch in Ihrem Interesse zu handeln haben!

Rufen Sie an!

Montag, 22. Juli 2013

Darf´s ein bisschen mehr sein?

Ein Milliönchen vielleicht? Oder zehn? Oder hundert? Was soll´s? Die Öffentliche Hand hat so viel Kohle – im Fachjargon: Steuergelder – und die muss unter die Leute gebracht werden, koste es, was es wolle. Das Blöde daran ist, dass „die Leute“ nicht ich bin und nicht Sie. Es ist nicht viel Platz unter der großen Gießkanne, mit der die Öffentliche Hand die eingenommenen Steuergelder ausschüttet. „Die Leute“ sind nur wenige Auserwählte, die unter dem übermäßigen Euroregen wachsen und gedeihen.

Steuerhinterziehung ist strafbar! Spätestens seit der Causa „Uli Hoeneß“ ist dies in das Allgemeinwissen der Bevölkerung eingedrungen. Sogar der Versuch wird strafrechtlich verfolgt. Das ist gut und richtig, doch warum ist Steuerverschwendung nicht strafbar? Wäre eine Strafverfolgung dieses Tatbestandes schlecht und falsch? Warum ist es der Öffentlichen Hand nicht untersagt, Jahr für Jahr Millionen und Abermillionen aus dem Fenster zu werfen? Vielleicht, so scheint mir, liegt es daran, dass „die Leute“, das heißt die richtigen Leute, unter dem Fenster stehen.

Bei der Steuerverschwendung geht es nicht um Peanuts, wie der alte Joe Ackermann einst zu sagen pflegte, sondern um richtiges Geld. Wie herrlich sich Steuergelder verschwenden lassen, zeigt das Beispiel „Elbphilharmonie“.  Im Jahr 2003 entschied sich der Hamburger Senat für den Bau eines neuen Konzerthauses. Die Planungen begannen 2004 und ein Jahr später (2005) wurde eine Machbarkeitsstudie vorgelegt. Der Anteil der Öffentlichen Hand am Bau des Konzerthauses wurde auf 77 Mio. Euro festgeschrieben, der Rest sollte aus Spenden finanziert werden. 2006 wurde der Auftrag öffentlich ausgeschrieben und ein Konsortium namens ADMANTA, bestehend aus der Commerzbank und dem Bauunternehmen Hochtief, erhielt den Zuschlag, das Projekt bis zum Jahr 2010 für 241,3 Mio. Euro zu realisieren. Der Anteil der Öffentlichen Hand wuchs dabei schwuppdiwupp auf 114,3 Mio. Euro. Durch Nachverhandlungen zwischen der Elbphilharmonie Hamburg Bau GmbH & Co. KG und der ADMANTA im Jahr 2008 stieg der Finanzierungsanteil der Öffentlichen Hand auf 323 Mio. Euro, mehr als das Vierfache der ursprünglichen Summe. Weitere Nachverhandlungen in den Jahren 2010 und 2011, bei denen man davon ausging, dass die Bauübergabe erst 2014 stattfinden könne, brachten weitere finanzielle Mehraufwendungen. 2012 einigte man sich auf eine Schlüsselübergabe für das Jahr 2016 für eine Gesamtsumme von 575 Mio. Euro., von denen die Öffentliche Hand 521 Millionen aufbringt. Im April 2013 wurde bekannt, dass die Einweihung erst 2017 stattfinden solle, fünf Jahre später als ursprünglich geplant. Als Gesamtkosten wird die Zahl von 789 Mio. Euro genannt. Ein Ende der Geschichte ist noch lange nicht in Sicht ...

700 Mio. Euro Mehrkosten bei der Elbphilharmonie, da kann einem schon einmal die Spucke wegbleiben, doch das ist bei Weitem kein Einzelfall. 500 Mio. Euro wurden bei der flügellahmen Drohne „Eurohawk“ versenkt – ohne Gegenwert! Der Bahnhof „Stuttgart 21“ sollte ursprünglich 2,45 Mrd. Euro kosten. Heute geht man von mindestens 6,7 Mrd. Euro aus. Es könnten aber auch 8,7 Mrd. Euro werden, das sind 6 Mrd. Euro zusätzliche Kosten. Der neue Berliner Flughafen wurde mit 1,7 Mrd. Euro kalkuliert (2004). Heute spricht man von Kosten in Höhe von 5,1 Mrd. Euro bis Ende 2014.

Eine Null kann nicht nur alle Probleme verzehnfachen, sie verzehnfacht auch die Kosten. Obwohl man mir als Geschichtenerzähler eine blühende Phantasie bescheinigt, gelingt es mir dennoch nicht, mir die Dilettanten vorzustellen, die all dies ausgehandelt, nachverhandelt und letztlich auch zu verantworten haben. Wie dämlich müssen die Entscheider sein, die sich immer wieder dermaßen über den Tisch ziehen lassen? Wie grotesk ist es, einen Vertrag zu unterschreiben und hinterher die zehnfache Summe für die bestellte Leistung zu bezahlen? Ist Steuerverschwendung die neue Trendsportart in den deutschen Amtsstuben geworden? Wie viele Kalorien verbrennt ein Politiker, wenn er 500 Millionen Euro aus dem Fenster wirft? Schafft man 5 Milliarden alleine oder braucht man dazu ein gut trainiertes Team? 

Die drei genannten Beispiele sind nur die derzeit prominentesten. Der Bund der Steuerzahler (BdSt) gibt jedes Jahr ein Schwarzbuch heraus, in dem er die Steuerverschwendung anprangert (Infos auf der Webseite www.steuerzahler.de). Sogar ein Gutachten über die Strafwürdigkeit der Steuerverschwendung wurde bereits erstellt, doch wen interessiert das? Mich! Und Sie hoffentlich auch, denn es ist UNSER Geld, das aus der großen Kanne gegossen wird. Für mich wird es höchste Zeit, meine Empörung darüber zum Ausdruck zu bringen. Für Sie vielleicht auch – der Mittwoch wäre ein guter Tag dafür.

Samstag, 20. Juli 2013

Taufe

Einen Monat lang habe ich mich in die Welt des Bloggens eingearbeitet - learning by doing. Ich habe am Design gefeilt, aus- und rumprobiert und allmählich ist die jetzt aktuelle Seite entstanden. Wem sie nicht gefällt, der mag beim Lesen getrost die Augen schließen. 

Der vorläufige Arbeitstitel LESEZEICHEN hat ausgedient und ich taufe die Seite nun feierlich auf den Namen KUGELKOPF. Als Taufpaten habe ich mir den französischen Maler und Schriftsteller Francis Picabia ausgesucht, denn der Taufspruch entstammt seinen Aphorismen. Wenn dem geneigte Leser hin und wieder bei der Lektüre meiner Blog-Beiträge schwindlig wird, dann wird das wohl daran liegen, dass sein Denken gerade die Richtung wechselt. Das ist kein Grund zur Besorgnis - ganz im Gegenteil. In den Betonköpfen mancher Quadratschädel funktioniert das Denken seit Jahren ausschließlich linear und linientreu. Ein Umdenken, ein Richtungswechsel findet in der Regel nicht statt. Das trifft vor allem auf die sogenannten "Parteisoldaten" zu, für die jede Abkehr von der Parteilinie eine EDEKA-Entscheidung ist: Ende der Karriere. 

Es war keine schwere Geburt. Vater und Kind sind wohlauf und so lassen Sie mich mein Glas erheben, um auf KUGELKOPF anzustoßen. Möge der Blog wachsen und gedeihen, kritisch sein und unbequem. Er wird Freunde finden, Spielkameraden und Spießgesellen, vielleicht auch Feinde, wer weiß?. Ich habe ihm Wurzeln gegeben, nun mögen ihm Flügel wachsen.

Donnerstag, 18. Juli 2013

Konzentration, bitte!

Gestern habe ich im Bundeskanzleramt angerufen. Ich habe Angela Merkel zum Geburtstag gratuliert und ich habe meine Empörung über die Abhöraffäre zum Ausdruck gebracht. Leider konnte ich mit Frau Merkel nicht persönlich sprechen. „Ich werde das so weitergeben“, antwortete eine hörbar verstörte Sekretärin. Für die Dame am anderen Ende der Leitung schien der Anruf ziemlich ungewöhnlich, wenn nicht gar höchst überraschend gewesen zu sein. Ich konnte mich des Eindrucks nicht erwehren, als habe das noch niemand vor mir gemacht.

Mir käme es ziemlich ungewöhnlich, wenn nicht gar höchst überraschend vor, wenn Bürger nicht bei der Regierung anrufen würden, um darauf hinzuweisen, dass sie mit diesem oder jenem nicht einverstanden sind. Soziale Netzwerke, Blogs, Foren und Kommentare zu Artikeln sind voll von Meinungsäußerungen zum Thema „Snowden, NSA und BND“. Ganz offensichtlich sind viele Bürger empört und nicht damit einverstanden, dass der Artikel 10 des Grundgesetzes, das unverletzliche Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnis, von den Geheimdiensten im Auftrag der Regierung ausgehebelt wird. Eigentlich sollten die Telefone im Berliner Regierungsviertel nicht mehr stillstehen, doch die Reaktion der Sekretärin lässt mich Gegenteiliges befürchten.

Die Empörung der Bürger gleicht dem Schuss aus einer Schrotflinte. Das Internet bietet breiten Raum für die Streuung der Kritik und mit zunehmender Entfernung zum Ziel nimmt die Wirkung dramatisch ab. Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass die Wirkung zunimmt, wenn man die Kritik konzentriert. Wenn alle (oder zumindest viele) an einem Tag die gleiche Telefonnummer wählen, um ihre Kritik zu äußern, dann verhallt dies beim Kritisierten nicht ungehört. Im besten Fall wird er sogar gezwungen, einen Tag inne zu halten, um sich mit der Kritik auseinander zu setzen. Die Kritiker formieren sich zu einem Chor, bei dem durch Konzentration die Stimme des Volkes lauter ist als die Summe der Stimmen der einzelnen Rufer.


Vielleicht ist meine Idee utopisch. Wir Deutschen sind eher Untertanen als Bürger und nicht dafür bekannt, dass wir unsere Stimmen gegen die jeweiligen Regierungen erheben. Glücklicherweise bestätigen Ausnahmen (Montagsdemos Ende der achtziger Jahre, Stuttgart 21 etc.) die Regel und deshalb werde ich es versuchen! Ich werde bis zur Bundestagswahl im September jeden Mittwoch zum Tag der Empörung erklären und die Mitbürger dazu aufrufen, ihrer Stimme selbst Gehör zu verschaffen. Ich werde jede Woche ein neues Ziel auswählen und eine neue Telefonnummer bekannt geben. Für jeden einzelnen, der sich an der Aktion beteiligt, ist es nur ein einfacher Anruf, aber alle zusammen sind laut genug, um von „denen da oben“ nicht länger überhört zu werden.

Mittwoch, 17. Juli 2013

Tag der Empörung

Angela Dorothea Merkel geb. Kasner hat heute Geburtstag. Sie wird 59 Jahre alt. „Angie“, wie sie von Freund und Feind liebevoll genannt wird, hat Grund, diesen Tag zu feiern. Die meisten von uns halten es mit ihren Geburtstagen ebenso, doch haben wir heute ebenfalls einen Grund zum Feiern? Darüber kann man durchaus geteilter Meinung sein. Was dem einen sin Uhl, is dem andern sin Nachtigall.

Ohne alle politischen Leistungen der letzten acht Jahre, seit Merkel im Amt ist, aufzuzählen – ich gestehe, dass ich erst intensiv darüber nachdenken müsste, welche Leistungen das waren – geht mir die politische Entwicklung in unserem Land gewaltig gegen den Strich. In meiner Schulzeit habe ich (Ende der Siebziger Jahre) wie viele andere den Roman „1984“ von George Orwell gelesen. Damals hatten wir Schüler ein sehr ungutes Gefühl bei der Vorstellung vom allwissenden Big Brother. Später stellten wir fest, dass der Schrecken zwar begründet, die Ursache jedoch einer völligen Fehleinschätzung unterworfen war. Nicht die Politik, die damals vom Dicken aus Oggersheim gelenkt wurde, rückte die Verhältnisse zurecht, sondern der Privatsender RTL. Big Brother war kein omnipotentes Machtkonstrukt, sondern ein simpler Container.

Knapp dreißig Jahre sind seit Orwells Schicksalsjahr vergangen und die Politik hat von RTL gelernt. Manch einer entsetzt sich über Big Brother, doch niemand fürchtet ihn. Vielen geht das Thema „Ausspähprogramme“ sonst wo vorbei, weil sie sowieso nichts zu verbergen haben und im Hintergrund höre ich Chimären aus der Vergangenheit, deren Namen berühmt-berüchtigte Kurzbezeichnungen waren: Gestapo und Stasi. Zuerst schnüffelt man, dann nimmt man Witterung auf und am Ende wird die Beute erlegt. Der Staat will alles von seinen Bürgern wissen. Mir persönlich wäre das zu blöd, aber ich bin ja auch nicht der Staat. Ich bin der Souverän, so steht es im Grundgesetz, und deshalb will ich alles über den Staat wissen!

Ich habe etwas zu verbergen: mein Privatleben, das zu schützen Aufgabe des Staates ist! Um diesen Schutz zu gewährleisten, ist es nicht nötig zu wissen, was sich in meinem Privatleben abspielt. Eine Tresortür interessiert sich auch nicht dafür, was sich in den Schließfächern verbirgt. Es hat den Staat nicht zu interessieren, wann ich mit wem über was spreche, maile oder auf andere Art kundtue. Genau dafür existiert die Bezeichnung „privat“, deren Gegenteil „öffentlich“ ist.

Angela Merkel ist die gewählte Kanzlerin der Bundesrepublik Deutschland und sie schuldet dem Souverän – mit anderen Worten: uns – öffentlich Rechenschaft über ihre Tätigkeit als Regierungschefin. Nehmen wir also ihren Geburtstag zum Anlass, um ihr artig zu gratulieren und nutzen wir gleich die Gelegenheit, um unsere Empörung darüber zum Ausdruck zu bringen, dass das Grundgesetz, das Fundament unseres Staates, seit Längerem schon mit Füßen getreten wird. Erklären wir ihren Geburtstag zum Tag der Empörung!

Das Bundeskanzleramt ist unter folgender Rufnummer zu erreichen: (030) 18 400-0 und das Infotelefon der Bundesregierung unter: (030) 18 272 2720.

Wer etwas zu sagen hat, der soll es auch tun! Empören Sie sich!


Montag, 15. Juli 2013

Von Affen und Äffchen

Sie haben doch auch nichts gewusst, oder? Es gab kein verräterisches Knacken in der Leitung und keine über Wasserdampf geöffneten Briefe. In Ihrer Wohnung gibt es weder Wanzen noch Überwachungskameras. Sie haben nichts gesehen und nichts gehört, also können Sie auch nichts sagen, weil Sie von nichts wussten. Mit anderen Worten: Sie Sind ein Äffchen. Das ist nicht schlimm, im Gegenteil. Wenn man von Affen regiert wird, ist es am besten, ein Äffchen zu sein.

Das Affentheater in Berlin spielt zurzeit das Stück „Wahlkampf“. Die einen lausen sich gegenseitig und die anderen rasen durch den Wald auf der Such nach der Kokosnuss der Weisen. Wie kann man dem politischen Gegner vorwerfen, nichts gewusst zu haben, wenn man selbst nichts gewusst haben will? Affenonkel Jürgen Trittin (Grüne) reißt Urwaldbäume aus, weil er glaubt, dass sich dahinter die Männer mit den Schlapphüten verbergen. „Untersuchungsausschuss!“, ruft er ebenso wie die Affentante Andrea Nahles (SPD), „jetzt sofort … oder bald … oder stopp mal. Jetzt ist erst Sommerpause, danach ist Bundestagswahl, aber im Herbst, dann …!“ Man wirft schon einmal Bananenschalen aus und hofft, dass der Affenmilchmann Hans-Peter Friedrich (CSU) darauf ausrutscht, doch die meiste Zeit rasen alle wild durcheinander und schreien, damit niemand etwas bemerkt, falls doch jemand etwas wusste. Das nennt man wohl oberaffengeil.

„Ich weiß, dass ich nichts weiß.“
 Dieses Zitat wurde uns von Platon überliefert. Es entstammt der Verteidigungsrede des Sokrates, der wegen Gottlosigkeit und Verführung der Jugend im Jahr 399 v. Chr. angeklagt worden war. Man täte dem griechischen Philosophen Unrecht, würde man unterstellen, dass heutige Politiker seinen Ausspruch in dem Sinne verstehen würden, wie er ihn einst meinte. Dass sie sich seine Worte dennoch nutzbar machen, entlarvt den Politikbetrieb als Affentheater. Bundeskanzlerin Merkel (CDU) hat nach eigener Aussage von den Abhörprogrammen Prism und Tempora erst "durch die aktuelle Berichterstattung Kenntnis genommen". Das sagte sie zumindest der Wochenzeitung "Die Zeit“. In einem Stern-Interview bekräftigten Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) und Innenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) ebenfalls, erst durch die Berichterstattung in der Presse von den NSA-Ausspähprogrammen erfahren zu haben. Auch Frank-Walter Steinmeier (SPD), Kanzleramtsminister von 1998 bis 2005 und damals Verantwortlicher für die Geheimdienste, hat nichts gewusst.

Keiner hat etwas gewusst, möchte man meinen, doch das stimmt nicht. Der BND hat es gewusst, aber das war natürlich geheim. Der Chaos Computer Club (CCC) hat es auch gewusst, aber denen glaubt eh keiner. Es war schon immer besser, nichts zu wissen. Nichtwissen als Überlebensstrategie funktioniert nicht erst seit der Entnazifizierung. Wir wissen ja auch nicht, dass wir von Affen regiert werden, sonst würden wir sie doch kaum (wieder-)wählen, oder? Die Regierungsaffen sehen nichts und hören nichts, also wissen sie auch nichts und können deshalb schon nichts sagen. Daraus ergibt sich als logische Konsequenz: nichts, wieso auch? Weit und breit ist keine Alternative in Sicht und Sokrates lebt schon seit fast zweieinhalbtausend Jahren nicht mehr. Er wusste, dass er nichts wusste und am Ende des Prozesses hat man ihn zum Tode verurteilt. Eine Affenschande!


Donnerstag, 11. Juli 2013

Qualprogramme

Je schwieriger eine Entscheidung ist, desto mehr Gewicht bekommen umfangreiche Informationen zur Entscheidungsfindung. Da wir im September wieder die Wahl der Qual haben, hielt ich es für lohnenswert, einen Blick auf die diversen Wahlprogramme jener Parteien zu werfen, über die in den Medien nicht jeden Tag berichtet wird.

Der Bundeswahlausschuss hat insgesamt 38 Parteien anerkannt, die sich bei der Bundestagswahl darum bewerben, uns vier Jahre lang Bauchschmerzen bereiten zu dürfen. Angela Merkel sieht sich also 37 Herausforderern gegenüber und einer von ihnen ist Martin Sonneborn.  Er ist der Spitzenkandidat der "Partei für Arbeit, Rechtsstaat, Tierschutz, Elitenförderung und basisdemokratische Initiative" (Die PARTEI).  Martin Sonneborn, werden Sie jetzt vielleicht denken, der Name kommt mir irgendwie bekannt vor. Ja, gut möglich, antworte ich, denn Sonneborn ist dieser ehemalige Interviewer der Heute-Show (ZDF), der früher Chefredakteur des Satiremagazins „Titanic“ war. Seine Alias-Auftritte sind legendär, doch mal ehrlich: Wer will schon einen Hofnarren als König, dessen bevorzugte Biermarke Teil seines Wahlprogramms ist?

Zur Wahl stehen auch „Die Violetten“. Nach eigener Aussage streben sie eine Gesellschaftsordnung an, in der Selbsterkenntnis durch die individuelle spirituelle Entwicklung, Mitgefühl, Hilfsbereitschaft, Kreativität, offene Kommunikation, ökologisches Denken, Gewaltfreiheit, Freiheit im Geistesleben, Menschlichkeit im Wirtschaftsleben, Gleichberechtigung und Gleichwertigkeit von Frau und Mann und Toleranz obenan stehen. Diese Ziele sollen einerseits durch Meditation und Lichtarbeit, aber auch durch Parlamentsmandate erreicht werden. Ob sie dafür im Bundestag einen permanenten Stuhlkreis einrichten wollen, entzieht sich meiner Kenntnis.

Die Partei „Bündnis 21 RRP“ (Rentnerinnen- und Rentnerpartei), die am 15.09.2012 gegründet wurde, wehrt sich gegen die zweckfremde Entnahme von Geldern aus der Rentenkasse. In der Präambel ihres Parteiprogramms heißt es: „Dagegen hat sich in den ersten Jahren des 20. Jahrhunderts der bundesweite Rentnerprotest formiert und schließlich zur Gründung unserer Partei geführt.“ Ob es sich bei diesen Politikern um Ewiggestrige handelt, wage ich nicht zu beurteilen, doch irgendjemand sollte ihnen sagen, dass wir bereits das 21. Jahrhundert schreiben.

Ein wirklich nettes Wahlprogramm bietet die GMD (Partei Gesunder Menschenverstand Deutschland). Unter „Inhalt“ werden fünf Punkte aufgeführt, von denen es aber nur zwei geschafft haben, im Programm inhaltlich behandelt zu werden: „Neues Steuersystem“ und „Weg mit der GEMA“. Für die unter „Inhalt“ angeführten Punkte „Steuerbefreiung der Rentner aus der gesetzlichen Altersvorsorge“, „Weg mit ARD – ZDF Gebühr“ und „Hartz IV Reformierung: Bundesländeranpassung und keine Abzüge bei 450 € Jobs“ war auf den anderthalb Seiten des Wahlprogramms vermutlich zu wenig Platz. Mit ein wenig gesundem Menschenverstand hätte man hier … oder besser doch nicht.

Die Partei „NEIN!-Idee“ will keine Gesetze befürworten, keine Ämter annehmen und niemanden in ein Amt wählen. Die Mitglieder der Partei „Die Frauen“ heißen Mitfrauen, auch wenn sie männlich sind, und sie stellen fest, dass wir eine weibliche Kanzlerin haben. Die „Bergpartei“ ist laut ihrem Manifest „weder eine parodie noch eine spasspartei, sondern der versuch, mitglieder einer entpolitisierten spass/party/kunst-gesellschaft wieder für aktuelle politische entscheidungen zu sensibilisieren. und zwar vor allem mit hilfe von spass, party und kunst“ und sie hat offensichtlich Schwierigkeiten mit Orthographie, Grammatik und Zeichensetzung.

Es kann einem die Tränen in die Augen treiben, wenn man sich ansieht, wer die Mutter der Nation herausfordert und mir ist die Lust vergangen, mich über weitere Wahlprogramme zu informieren. Welche Segnungen die „ÜberPartei", „Partei der Nichtwähler“ oder die „Partei der Vernunft“ uns angedeihen lassen wollen, weiß ich wirklich nicht, doch nach und nach wird mir bewusst, dass sich in den Windungen meines Gehirns ein Gedanke manifestiert, der aus den dunkelsten Abgründen meiner Seele aufzusteigen scheint und mir das Blut in den Adern gefrieren lässt: „So übel ist die Merkel eigentlich gar nicht …“

Montag, 8. Juli 2013

Wo ist eigentlich Herr Friedrich?

Steuern wir nach der NSU-Affäre und der Geheimdienst-Affäre nun auf eine U-Boot-Affäre zu? Es sieht ganz danach aus und das U-Boot hat sogar einen Namen: Dr. Hans-Peter Friedrich. Der CSU-Politiker, seines Zeichens Innenminister der Bundesrepublik Deutschland, ist abgetaucht – blubb und weg. Vielleicht gar nicht so schlecht, werden diejenigen denken, die ihn etwas besser kennen, doch aus der Sicht besorgter Bürger wäre ein Fels in der Brandung wünschenswerter als ein Minister auf Schleichfahrt.

Im Focus der Öffentlichkeit stehen zurzeit der Bundesnachrichtendienst (BND), dessen Zusammenarbeit mit den amerikanischen Geheimdiensten Edward Snowdon gerade bestätigt hat, und das Bundesamt für Verfassungsschutz. Oberster Chef beider Behörden ist Friedrich und der Schutz der Verfassung gehört zu den ureigensten Aufgaben des Innenministers. Eigentlich sollte der untergetauchte Oberfranke an der Spitze einer Protestbewegung stehen, flankiert von den Streitern des Chaos Computer Clubs, die schon seit Jahren predigen, was jetzt plötzlich und unerwartet offenbart wurde. Friedrich indessen hält die Luft länger an als ein polynesischer Perlentaucher. Seit Wochen warten wir darauf, dass er den Angriff auf das unverletzliche (!) Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnis (Art. 10, Grundgesetz) erkennt und beim Namen nennt, doch wir hören … nichts! Friedrich ist abgetaucht und in den lichtlosen Tiefen seines selbstgewählten Eremitendaseins sieht er nichts, hört er nichts und sagt er nichts.

Nichts? Nein, das ist nicht ganz richtig. Friedrich sagt zum Beispiel Sätze wie „ … diese Mischung aus Antiamerikanismus und Naivität geht mir gewaltig auf den Senkel“ oder „ich habe keinen Grund, daran zu zweifeln, dass sich die USA an Recht und Gesetz halten“ und „wir sind sehr dankbar für die gute Zusammenarbeit mit den US-Geheimdiensten“.

Es ist also, so scheint es, alles in Butter. Vielleicht liegt das Problem nicht bei Politik und Geheimdiensten, sondern bei den Bürgern. Das antiamerikanische Stimmvieh, auf dessen Mitarbeit die Politik alle vier Jahre leider angewiesen ist, jammert in seiner Naivität, anstatt den Tatsachen in die Augen zu sehen und sich auf die modernen Zeiten einzustellen. Auf die Frage der „Welt am Sonntag“, wie viele Handys er besitze, antwortet Friedrich: „Vier! Ich habe ein Handy, bei dem die Gespräche verschlüsselt werden, und eines, das besonders gesichert ist. Mit dem dritten Handy gehe ich ins Internet und habe Apps installiert. Beispielsweise eine Lauf-App, um meine Jogging-Kilometer zu zählen.“ Das vierte Handy nutzt Friedrich zum Telefonieren und um SMS zu schreiben. Mit dem iPad geht er auf Facebook. Auf die Frage, ob er keine Angst habe, dass seine Kommunikation überwacht werde, antwortet der Innenminister süffisant: „Sagen wir so, es gibt Dinge, die ich nicht am Telefon bespreche.“


Donnerstag, 4. Juli 2013

Blowing in the wind

Der Name Edward Snowden ist zurzeit in aller Munde, doch wer kennt Gustl Mollath? Erinnert sich noch jemand an Rudolf Schmenger, Marco Wehner und die Eheleute Heiko und Tina Feser? Nichts ist so alt wie die Zeitung von gestern, doch manches sollte man trotzdem im Gedächtnis behalten, damit man nicht versehentlich über die Risse im Fundament unserer freiheitlich, demokratischen Grundordnung stolpert.

Rudolf Schmenger, Marco Wehner und die Eheleute Heiko und Tina Feser waren vier Beamte, die als Steuerfahnder in Hessen gearbeitet haben. Jahrelang hatten sie sich mit Fällen beschäftigt, die Konten in Liechtenstein betrafen, unter anderem der Fall der „Stiftung Zaunkönig“. Unter der Leitung des damaligen Ministerpräsidenten Roland Koch (CDU) hatte dessen Berater Horst Weyrauch Parteigelder in Höhe von zwanzig Millionen D-Mark auf Schwarzgeldkonten versteckt. Als die findigen Fahnder schon glaubten, sie hätten durch ihre erfolgreiche Arbeit dem Steuerzahler ein hübsches Sümmchen gesichert, zog man sie flugs geschwind aus dem Verkehr. Ein Gutachter bescheinigte allen vieren Paranoia und sie wurden allesamt zwangspensioniert.

Gustl Mollath war ein Whistleblower, lange bevor dieser Ausdruck Eingang in den deutschen Sprachgebrauch gefunden hatte. Im Jahr 2006 hatte Mollath seine damalige Ehefrau bei der Staatsanwaltschaft angezeigt, weil sie in Schwarzgeldgeschäfte ihres Arbeitgebers HypoVereinsbank verwickelt gewesen war. Mit seiner Anzeige hatte er auch diverse schriftliche Beweise eingereicht. Die Begleitumstände sprachen jedoch gegen ihn, denn zwischen den Eheleuten tobte ein Scheidungskrieg. Das Landgericht Nürnberg-Fürth bügelte Mollaths Anzeige als Hirngespinste ab, die seinem paranoiden Wahnsystem entsprungen seien.  Er wurde als für die Allgemeinheit gefährlich eingestuft und in den Maßregelvollzug in einer geschlossenen Psychiatrie überstellt. Unbeachtet blieb dabei ein interner Revisionsbericht der HypoVereinsbank aus dem Jahr 2003, der Mollaths Anschuldigungen gegen seine damalige Ehefrau teilweise stützte.

Das Gutachten, das die hessischen Steuerfahnder als paranoid eingestuft hatte, wurde durch ein Gegengutachten widerlegt und der Gutachter wurde wegen vorsätzlicher Falschbegutachtung zu einer Geldstrafe von 12.000 Euro verurteilt. Gustl Mollath indessen bleibt vorerst weiter in der geschlossenen Abteilung der Psychiatrie, wo er seit sieben Jahren gegen seine zwangsweise Unterbringung kämpft. Allerdings ist mittlerweile Bewegung in die Sache gekommen. Das Bundesverfassungsgericht fordert von der bayrischen Justizministerin Beate Merk (CSU) eine Stellungnahme. Monatelang hatte Merk behauptet, Mollath habe ein verzerrtes Wahrnehmungsbild. Er habe schwere Straftaten begangen, weil er krank und für die Allgemeinheit gefährlich sei. Nun jedoch vollzieht die bayrische Justizministerin eine Kehrtwende und sagt in einem Interview mit der Augsburger Allgemeinen, dass Mollaths Schicksal sie bewege und dass nach ihrer Auffassung die Unterbringung des Mannes mit zunehmender Dauer unverhältnismäßig sei.

Man könnte meinen, Frau Merk sei zur Vernunft gekommen. Man könnte auch denken, dass das ungewisse Schicksal von Edward Snowden, dem amerikanischen Whistleblower, dem deutschen Kollegen eine Tür geöffnet habe. Beides ist möglich, doch wenig wahrscheinlich. Im Jahr 2006 sprachen die Begleitumstände (Scheidungskrieg) gegen Mollath und der Mann musste von der Bildfläche verschwinden. Heute, sieben Jahre später, sprechen die Begleitumstände für Mollath. Nun muss das Thema von der Bildfläche verschwinden. Vielleicht steckt eine Weisung des bayrischen Ministerpräsidenten Horst Seehofer (CSU) dahinter – ein Schelm, wer Böses dabei denkt – aber vielleicht ist es auch nur ein Zufall, dass am 15. September in Bayern ein neuer Landtag gewählt wird.



Mittwoch, 3. Juli 2013

Was macht eigentlich Frau Schröder?

Seit vier Jahren ist Kristina Schröder Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend.  Kristina Schröder, werden Sie jetzt vielleicht denken, diesen Namen habe ich schon öfter gehört. Man sieht sie immer wieder mal im Fernsehen und lauscht ihren Statements, in denen sie politische Positionen vertritt, die sie so zielstrebig verfolgt wie ein Flaschenkorken auf den Wellen des südlichen Pazifik. Vier Jahre ist sie jetzt im Amt und ich frage mich unweigerlich: Was macht eigentlich Frau Schröder?

Nichts!, wäre vermutlich die zutreffende Antwort und „glücklicherweise“ möchte man hinzufügen.  Nachdem Frau von der Leyen 2009 ins Arbeitsministerium versetzt worden war, hat die Kanzlerin das Ministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend zum Sandkasten degradiert, in dem das Regierungsküken Schröder ungehindert vor sich hin tollen darf.  Wenn sie dann aber mit den Großen am Tisch sitzen will, nimmt man ihr die Förmchen ab und stellt sie erst einmal unter die kalte Dusche (so geschehen bei der Bundestagsabstimmung über die gesetzliche Frauenquote). Gestriegelt und frisch gescheitelt sitzt sie dann beim Fernsehinterview und erklärt, dass ihr Scheitern ein Erfolg war, weil die Position, die sie vertrat, im Grunde richtig ist, weshalb ihre Kehrtwende hin zu einer gegenteiligen Meinung als folgerichtig und logisch betrachtet werden muss.  Ich verstehe nur Bahnhof und frage mich erneut: Was macht eigentlich Frau Schröder?

„IGTFY!“, werden Sie jetzt vermutlich anbieten (I google that for you), doch ich möchte mich aus erster Hand informieren und rufe die Internetseite www.kristinaschroeder.de auf. Unter „Aktuelles“ lese ich, dass Frau Dr. Schröder einen Gesetzentwurf zur Regelung der vertraulichen Geburt eingebracht hat. Aha! , denke ich, ein Entwurf – immerhin. Ich sehe mir ihre „Schwerpunkte“ an und finde ein Konzept zur Familienpflegezeit. Aha!, denke ich, ein Konzept – immerhin! Weiter lese ich: „Die Initiative Neue Bilder vom Alter soll die Verbreitung eines neuen, differenzierten und realistischen Altersbildes unterstützen.“ Aha!, denke ich, eine Initiative – immerhin! Doch dann entdecke ich tatsächlich eine wahrnehmbare Leistung. Nach der Abschaffung der allgemeinen Wehrpflicht samt Zivildienst hat Frau Schröder den Bundesfreiwilligendienst ins Leben gerufen.  Es gab zuvor zwar schon das Freiwillige Soziale Jahr und das Freiwillige Ökologische Jahr – beides gibt es immer noch – doch der Fairness halber soll die Leistung der Ministerin nicht verschwiegen werden.


Nach der kalten Dusche bei der gesetzlichen Frauenquote engagiert sich Frau Schröder nun für die Flexi-Quote. Es soll ein Gesetz erlassen werden, wonach Unternehmen selbst entscheiden sollen, wie viele Frauen sie in ihren Führungsetagen beschäftigen wollen. Eine beeindruckende Sandburg, denke ich, und ebenso nützlich wie notwendig. Ich habe allerdings immer noch nicht herausgefunden, was Frau Schröder in ihrer vierjährigen Amtszeit geleistet hat. Dann, endlich, entdecke ich am unteren Rand ihrer Internetseite den entscheidenden Hinweis. Gespannt und ein wenig aufgeregt lese ich: „Diese Übersicht informiert über die politischen Meilensteine des Bundesfamilienministeriums seit 2009.“ Ich klicke die Übersicht an und finde den Meilenstein: „Fehler beim Laden des PDF-Dokuments.“

Sonntag, 30. Juni 2013

Seid Ihr alle da?

Liebe Kinder,

heute begrüßen wir ganz besonders unsere amerikanischen Gäste von der Central Intelligence Agency (CIA), Federal Bureau of Investigation (FBI), National Security Agency (NSA), National Reconnaissance Office (NRO), National Geospatial-Intelligence Agency (NGA), Office of Intelligence (OOI), Bureau of Intelligence and Research (INR), Office of Intelligence and Analysis (OIA), Directorate of Information Analysis and Infrastructure Protection (IAIP), Defense Intelligence Agency (DIA), Army Intelligence (AI), Office of Naval Intelligence (ONI), Air Intelligence Agency (AIA), Marine Corps Intelligence Activity (MCIA) und der United States Coast Guard Intelligence (CGI).
Außerdem begrüßen wir unsere britischen Gäste vom Department of Naval Intelligence, British Security Service Organisation (BSSO), Defence Intelligence Staff (DIS), Joint Intelligence Committee (JIC), Intelligence Corps - British Army Intelligence, Government Communications Headquarters (GCHQ), RAF Intelligence - Royal Air Force Intelligence Branch, Security Service (MI5) und vom Secret Intelligence Service (SIS, MI6). Seid Ihr alle da?

"JA!", höre ich vielstimmig aus dem Hintergrund.

So, liebe Kinder, dann gebt fein Acht, ich hab Euch etwas mitgebracht:

al-Quaida (Al Kaida), Sprengstoff, Jihad (Dschihad), Rohrbombe, Hamas, Edward Snowden, Fatah, Zeitzünder, Hisbollah, Ammoniumnitrat, Mudschaheddin, TNT, Dynamit, Angriff, Anschlag, Ziel, Inschallah

In dieser kleinen Aufzählung dürfte für jeden etwas dabei gewesen sein, aber bitte nicht streiten. Einzelne Schlüsselworte können durchaus von mehreren Diensten gemeinsam verwendet werden. Da ich jetzt (vermutlich) als Terrorist identifiziert bin, stellt bitte einen Antrag für einen Internationalen Haftbefehl beim Internationalen Strafgerichtshof, Maanweg 174, 2516 AB Den Haag (Niederlande). Auslieferungsanträge bekommt Ihr beim Auswärtigen Amt, Werderscher Markt 1, 10117 Berlin (Deutschland).

Bitte beachtet, dass es in Deutschland gesetzliche Ruhezeiten gibt. Verhaftungen durch Spezialeinsatzkräfte unter Anwendung von Gewalt sollten nicht durchgeführt werden von  13:00 Uhr bis 15:00 Uhr (Mittagsruhe) und nicht zwischen 22:00 Uhr und 06:00 Uhr (Nachtruhe), außerdem nicht an Sonntagen (ganztägig) sowie an gesetzlichen Feiertagen (ebenfalls ganztägig).

Habe ich noch etwas vergessen? Nein, ich glaube nicht. So wünsche ich Euch, liebe Spione, viel Vergnügen beim Auswerten der Schlüsselbegriffe und viel Erfolg bei der Jagd nach mir, meiner Verhaftung, Inhaftierung, Verhör, Anklage und Verurteilung. 

Euer Terror-Kasper

P.S: Ich bin ein Gegner der Todesstrafe und würde deshalb dreimal lebenslänglich vorziehen. Danke!

Freitag, 28. Juni 2013

Sie wissen aber schon, dass ...

Kennen Sie diese Eröffnung? Sie wissen aber schon, dass ...  ist die Einleitung für eine Behauptung, die als rhetorische Frage gemeint ist und nur eine bestätigende Antwort zulässt, bei der man aber überhaupt nicht wissen möchte, was man schon weiß. Die Wendung hat etwas eindeutig Feminines, so könnte man meinen, denn man hört sie höchst selten von Männern (und falls doch, hält man sie für schwul). Tatsächlich aber täte man den vielen liebenswerten Frauen unrecht, wenn man diesem Gedanken folgte, denn die Eröffnung wird nur von einer sehr kleinen Gruppe sehr spezieller Frauen verwendet. Man erkennt sie oft auf den ersten Blick und stellt sich dabei unwillkürlich die Frage: Hat ihr Frisör das freiwillig getan oder musste sie ihn mit Geld dazu überreden? 

Die Frisur ist ebenso wie die Kleidung Ausdruck der Persönlichkeit. Wenn die Haare einer Frau das Gesicht kinnlang umrahmen, hach hinten immer kürzer werden und im halb ausrasierten Nacken nur noch einen Teil des Hinterkopfs bedecken, dann ist Vorsicht geboten! Die Trägerin dieser Frisur könnte eine Vertreterin der Art von Frauen sein, die es meisterlich versteht, ihre Stimme so vorwurfsvoll klingen zu lassen, dass selbst ihr Luftholen zum Widerspruch reizt. Ihre Kinder heißen Sören und Annika und wenn Sören Annika den Frühstückskakao über das fair gehandelte, biologisch abbaubare T-Shirt kippt, dann weist sie ihn darauf hin, dass das so nicht vereinbart war. In diesem Augenblick mag man sich fragen, ob Annika der Vereinbarung gemäß  ihren Bruder mit Kakao hätte taufen sollen.

Sie wissen aber schon, dass ... klingt wie Fingernägel auf einer Schultafel und die Sprecherin wirkt dabei so sympatisch wie ein Nachzahlungsbescheid vom Finanzamt. An guten Tagen nennt man sie schnippisch, an schlechten überheblich. Überschnippisch wäre wohl der Durchschnittswert und "was geht dich das an?" ist eine natürliche Reaktion auf ihre Frage. Manchmal bleibt einem aber auch nur ein verständnisloses Kopfschütteln, das die Qualität einer Kapitulation hat, denn es fehlen einem die Worte. Dabei hätte man genügend Auswahl für eine Erwiderung, doch man weiß um deren Nutzlosigkeit. Es wäre einfacher, einem Orang-Utan die Neue Deutsche Rechtschreibung verständlich zu machen.

Sie halten das für übertrieben? Sie glauben, dieser Text sei polemisch? Vielleicht haben Sie recht. Schreiben Sie einen Kommentar und schlagen Sie ein Wort vor, das die folgende Situation treffend beschreibt. Ich schicke voraus, dass sich die nachfolgende Szene vor einigen Tagen tatsächlich zugetragen hat.

Ein Gasthaus auf dem Lande trägt meist einen Namen wie "Zum Hirschen" oder "Zur Linde". Schon der Name impliziert, was eine handbeschriebene Tafel am Eingang bestätigt: Gutbürgerliche Küche. Die rustikale Einrichtung verströmt einen ländlichen Charme und in der Nähe des Tresens steht der Stammtisch. Selbst ohne Fremdsprachenkenntnisse ist die übersichtliche Speisekarte leicht und verständlich zu lesen. Sie bietet unter anderem Schnitzel, Steak und ein Paar Würste, Pommes, Bratkartoffeln und Spätzle, ein kleiner gemischter Salat und eine Tagessuppe. Niemand, dem der Sinn nach fangfrischen Austern und einem Gläschen Château de Bligny steht, käme auf die Idee, ein solches Gasthaus aufzusuchen. Warum die Frau, deren Frisur wie eingangs beschrieben die Signalwirkung einer roten Ampel hat, dieses Gasthaus aufsuchen musste, um das Loch in ihrem Magen zu stopfen, wird sie wohl nur selbst wissen. Mit überschnippischem Blick studiert sie die Speisekarte und ein Hauch paradox anmutender Genugtuung liegt in ihren Augen, als sie die Bedienung an ihren Tisch zitiert, um die groteskeste aller möglichen Behauptungen aufzustellen: "Sie wissen aber schon, dass Sie nichts für Veganer auf Ihrer Karte haben!"

Donnerstag, 27. Juni 2013

Richtig oder falsch?

Sehr geehrter Herr Bundesminister der Verteidigung, Lothar de Maizière,


diese beiden Sätze von Ihnen werden wohl in die Annalen deutscher Pressekonferenzen eingehen: "Es handelt sich hier nicht um eine Fehlentscheidung, es handelt sich um eine richtige Entscheidung zum richtigen Zeitpunkt, die fehlerhaft zustande gekommen ist. Das ist ein wichtiger Unterschied, ob es eine falsche Entscheidung war, die fehlerhaft zustande gekommen ist oder eine richtige Entscheidung, die fehlerhaft zustande gekommen ist."



Ich bin beeindruckt, denn die Erklärung sprengt meinen Horizont. Auch nach mehrmaligem Lesen kann ich Ihnen nicht folgen. Ich finde den wichtigen Unterschied zwischen einer richtigen Entscheidung, die fehlerhaft zustande gekommen ist und einer falschen Entscheidung, die ebenfalls fehlerhaft entstanden ist, einfach nicht heraus.


Es hätte wichtig sein können, einen Fehler zuzugeben - war es aber offensichtlich nicht. Es war wichtig zu erklären, dass eine richtige Entscheidung getroffen wurde, um Milliarden von Steuergeldern zu versenken. Immerhin habe ich verstanden, dass die Kohle nicht in die Luft geblasen wurde, weil die Drohnen so flugtauglich sind wie Pinguine und ich habe etwas gelernt. Bald ist Bundestagswahl und jeder Bürger ist aufgerufen, eine Entscheidung zu treffen. Sollten Sie aufgrund der Wählerentscheidungen bei einem für Sie ungünstigen Ausgang der Wahl Ihr Mandat und/oder Ihren Ministerposten verlieren, dann grämen Sie sich nicht. Es war garantiert die richtige Entscheidung!

Neu im Land der Blogger

Liebe Leser,

manchmal ist es eine Lust, ein Buch zu lesen, aber es ist immer eine Lust, eins zu schreiben. So steht es auf meiner Autorenseite www.ralf-kurz.de. Nicht alles, über das sich zu schreiben lohnt, findet jedoch seinen Weg zwischen die Buchdeckel oder in das Meer von Nullen und Einsen eines eBooks. Gedanken, so flüchtig wie die Daltons nach dem Ausbruch aus dem Gefängnis von Silver City, gehen zuweilen verloren und man findet sie nicht wieder - weder tot noch lebendig. Manchmal mag man sogar versucht sein, eine Belohnung auf ihre Ergreifung auszusetzen, doch das Vergessen ist erbarmungslos und lässt sich nicht einmal bestechen.

Am Anfang war das Blog und siehe, es war öd und leer. "Es werde Licht!" wäre ein guter Beginn, doch tatsächlich steht am Anfang eine funktionierende Tastatur und ein wenig Kenntnis der deutschen Sprache. Subjekte und Objekte, mit denen sich das Blog füllen lässt, gibt es wie den sprichwörtlichen Sand am Meer. Sie begegnen mir täglich und manchmal möchte ich am liebsten ... und genau dafür wurde ich nun Blogger!

Dieses Blog wird sich entwickeln. Sollte es im Lauf der Zeit zu einem Spiegel mutieren, wie ihn einst Till seiner Eule in die Krallen gab, dann bin ich zufrieden. Wir werden sehen und lesen. Jeder ist aufgefordert, seinen eigenen Senf dazu zu geben. Er mag süß sein wie in Bayern oder scharf wie in Dijon. Das ist einerlei, denn ich mag Senf und ich schätze seine Würze in der Küche ebenso wie in diesem Blog.

Vor einigen Tagen sah ich einen Mann im TV und hörte, was er sprach. Dazu werde ich etwas schreiben ...