Montag, 15. Juli 2013

Von Affen und Äffchen

Sie haben doch auch nichts gewusst, oder? Es gab kein verräterisches Knacken in der Leitung und keine über Wasserdampf geöffneten Briefe. In Ihrer Wohnung gibt es weder Wanzen noch Überwachungskameras. Sie haben nichts gesehen und nichts gehört, also können Sie auch nichts sagen, weil Sie von nichts wussten. Mit anderen Worten: Sie Sind ein Äffchen. Das ist nicht schlimm, im Gegenteil. Wenn man von Affen regiert wird, ist es am besten, ein Äffchen zu sein.

Das Affentheater in Berlin spielt zurzeit das Stück „Wahlkampf“. Die einen lausen sich gegenseitig und die anderen rasen durch den Wald auf der Such nach der Kokosnuss der Weisen. Wie kann man dem politischen Gegner vorwerfen, nichts gewusst zu haben, wenn man selbst nichts gewusst haben will? Affenonkel Jürgen Trittin (Grüne) reißt Urwaldbäume aus, weil er glaubt, dass sich dahinter die Männer mit den Schlapphüten verbergen. „Untersuchungsausschuss!“, ruft er ebenso wie die Affentante Andrea Nahles (SPD), „jetzt sofort … oder bald … oder stopp mal. Jetzt ist erst Sommerpause, danach ist Bundestagswahl, aber im Herbst, dann …!“ Man wirft schon einmal Bananenschalen aus und hofft, dass der Affenmilchmann Hans-Peter Friedrich (CSU) darauf ausrutscht, doch die meiste Zeit rasen alle wild durcheinander und schreien, damit niemand etwas bemerkt, falls doch jemand etwas wusste. Das nennt man wohl oberaffengeil.

„Ich weiß, dass ich nichts weiß.“
 Dieses Zitat wurde uns von Platon überliefert. Es entstammt der Verteidigungsrede des Sokrates, der wegen Gottlosigkeit und Verführung der Jugend im Jahr 399 v. Chr. angeklagt worden war. Man täte dem griechischen Philosophen Unrecht, würde man unterstellen, dass heutige Politiker seinen Ausspruch in dem Sinne verstehen würden, wie er ihn einst meinte. Dass sie sich seine Worte dennoch nutzbar machen, entlarvt den Politikbetrieb als Affentheater. Bundeskanzlerin Merkel (CDU) hat nach eigener Aussage von den Abhörprogrammen Prism und Tempora erst "durch die aktuelle Berichterstattung Kenntnis genommen". Das sagte sie zumindest der Wochenzeitung "Die Zeit“. In einem Stern-Interview bekräftigten Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) und Innenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) ebenfalls, erst durch die Berichterstattung in der Presse von den NSA-Ausspähprogrammen erfahren zu haben. Auch Frank-Walter Steinmeier (SPD), Kanzleramtsminister von 1998 bis 2005 und damals Verantwortlicher für die Geheimdienste, hat nichts gewusst.

Keiner hat etwas gewusst, möchte man meinen, doch das stimmt nicht. Der BND hat es gewusst, aber das war natürlich geheim. Der Chaos Computer Club (CCC) hat es auch gewusst, aber denen glaubt eh keiner. Es war schon immer besser, nichts zu wissen. Nichtwissen als Überlebensstrategie funktioniert nicht erst seit der Entnazifizierung. Wir wissen ja auch nicht, dass wir von Affen regiert werden, sonst würden wir sie doch kaum (wieder-)wählen, oder? Die Regierungsaffen sehen nichts und hören nichts, also wissen sie auch nichts und können deshalb schon nichts sagen. Daraus ergibt sich als logische Konsequenz: nichts, wieso auch? Weit und breit ist keine Alternative in Sicht und Sokrates lebt schon seit fast zweieinhalbtausend Jahren nicht mehr. Er wusste, dass er nichts wusste und am Ende des Prozesses hat man ihn zum Tode verurteilt. Eine Affenschande!


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