Donnerstag, 11. Juli 2013

Qualprogramme

Je schwieriger eine Entscheidung ist, desto mehr Gewicht bekommen umfangreiche Informationen zur Entscheidungsfindung. Da wir im September wieder die Wahl der Qual haben, hielt ich es für lohnenswert, einen Blick auf die diversen Wahlprogramme jener Parteien zu werfen, über die in den Medien nicht jeden Tag berichtet wird.

Der Bundeswahlausschuss hat insgesamt 38 Parteien anerkannt, die sich bei der Bundestagswahl darum bewerben, uns vier Jahre lang Bauchschmerzen bereiten zu dürfen. Angela Merkel sieht sich also 37 Herausforderern gegenüber und einer von ihnen ist Martin Sonneborn.  Er ist der Spitzenkandidat der "Partei für Arbeit, Rechtsstaat, Tierschutz, Elitenförderung und basisdemokratische Initiative" (Die PARTEI).  Martin Sonneborn, werden Sie jetzt vielleicht denken, der Name kommt mir irgendwie bekannt vor. Ja, gut möglich, antworte ich, denn Sonneborn ist dieser ehemalige Interviewer der Heute-Show (ZDF), der früher Chefredakteur des Satiremagazins „Titanic“ war. Seine Alias-Auftritte sind legendär, doch mal ehrlich: Wer will schon einen Hofnarren als König, dessen bevorzugte Biermarke Teil seines Wahlprogramms ist?

Zur Wahl stehen auch „Die Violetten“. Nach eigener Aussage streben sie eine Gesellschaftsordnung an, in der Selbsterkenntnis durch die individuelle spirituelle Entwicklung, Mitgefühl, Hilfsbereitschaft, Kreativität, offene Kommunikation, ökologisches Denken, Gewaltfreiheit, Freiheit im Geistesleben, Menschlichkeit im Wirtschaftsleben, Gleichberechtigung und Gleichwertigkeit von Frau und Mann und Toleranz obenan stehen. Diese Ziele sollen einerseits durch Meditation und Lichtarbeit, aber auch durch Parlamentsmandate erreicht werden. Ob sie dafür im Bundestag einen permanenten Stuhlkreis einrichten wollen, entzieht sich meiner Kenntnis.

Die Partei „Bündnis 21 RRP“ (Rentnerinnen- und Rentnerpartei), die am 15.09.2012 gegründet wurde, wehrt sich gegen die zweckfremde Entnahme von Geldern aus der Rentenkasse. In der Präambel ihres Parteiprogramms heißt es: „Dagegen hat sich in den ersten Jahren des 20. Jahrhunderts der bundesweite Rentnerprotest formiert und schließlich zur Gründung unserer Partei geführt.“ Ob es sich bei diesen Politikern um Ewiggestrige handelt, wage ich nicht zu beurteilen, doch irgendjemand sollte ihnen sagen, dass wir bereits das 21. Jahrhundert schreiben.

Ein wirklich nettes Wahlprogramm bietet die GMD (Partei Gesunder Menschenverstand Deutschland). Unter „Inhalt“ werden fünf Punkte aufgeführt, von denen es aber nur zwei geschafft haben, im Programm inhaltlich behandelt zu werden: „Neues Steuersystem“ und „Weg mit der GEMA“. Für die unter „Inhalt“ angeführten Punkte „Steuerbefreiung der Rentner aus der gesetzlichen Altersvorsorge“, „Weg mit ARD – ZDF Gebühr“ und „Hartz IV Reformierung: Bundesländeranpassung und keine Abzüge bei 450 € Jobs“ war auf den anderthalb Seiten des Wahlprogramms vermutlich zu wenig Platz. Mit ein wenig gesundem Menschenverstand hätte man hier … oder besser doch nicht.

Die Partei „NEIN!-Idee“ will keine Gesetze befürworten, keine Ämter annehmen und niemanden in ein Amt wählen. Die Mitglieder der Partei „Die Frauen“ heißen Mitfrauen, auch wenn sie männlich sind, und sie stellen fest, dass wir eine weibliche Kanzlerin haben. Die „Bergpartei“ ist laut ihrem Manifest „weder eine parodie noch eine spasspartei, sondern der versuch, mitglieder einer entpolitisierten spass/party/kunst-gesellschaft wieder für aktuelle politische entscheidungen zu sensibilisieren. und zwar vor allem mit hilfe von spass, party und kunst“ und sie hat offensichtlich Schwierigkeiten mit Orthographie, Grammatik und Zeichensetzung.

Es kann einem die Tränen in die Augen treiben, wenn man sich ansieht, wer die Mutter der Nation herausfordert und mir ist die Lust vergangen, mich über weitere Wahlprogramme zu informieren. Welche Segnungen die „ÜberPartei", „Partei der Nichtwähler“ oder die „Partei der Vernunft“ uns angedeihen lassen wollen, weiß ich wirklich nicht, doch nach und nach wird mir bewusst, dass sich in den Windungen meines Gehirns ein Gedanke manifestiert, der aus den dunkelsten Abgründen meiner Seele aufzusteigen scheint und mir das Blut in den Adern gefrieren lässt: „So übel ist die Merkel eigentlich gar nicht …“

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