Freitag, 26. Juli 2013

Er hat noch Vertrag

Viel zu oft höre oder lese ich Sätze, bei denen ich mich frage, ob der Sprecher oder Schreiber einen Schulabschluss besitzt, der das Fach Deutsch einschließt. Ich meine hier nicht Otto Normalverbraucher oder ganz allgemein Menschen, für die Sprache lediglich ein Mittel zur Kommunikation ist. Ich schreibe hier von Leuten, denen die deutsche Sprache als Broterwerb dient und von denen man annehmen sollte, dass sie diese Sprache auch beherrschen, in der sie sich auszudrücken versuchen. Die Rede ist von Journalisten.

Wer nicht gerade als Quereinsteiger für die Medien arbeitet, hat meist Journalismus, vielleicht auch Germanistik studiert. Warum diese Hochgebildeten jedoch mit Nachdruck den Niedergang der deutschen Sprache vorantreiben, ist mir ein Rätsel. Vielleicht finden sie es cool, wenn ihr Geschwafel so klingt, als wäre Deutsch ihre erste Fremdsprache. Sie ahnen vermutlich nicht einmal, dass es nicht cool, sondern einfach nur dämlich ist.

 „Mario Götze, Sie haben noch Vertrag bis 2014“, hörte ich einen Journalisten beim Interview mit einem talentierten Fußballspieler sagen. Sie haben noch Vertrag? Wo ist der an dieser Stelle notwendige unbestimmte Artikel „einen“ geblieben? Alle Fußballer haben mittlerweile Vertrag. Man hört es ständig und fragte sich zwangsläufig, ob ein korrekt gebildeter Satz die geistigen Fähigkeiten eines interviewten Sportlers überfordern würde oder die des Journalisten. „Und Sie, Herr Journalist“, möchte ich erwidern, „haben Sie noch Arbeitgeber?“

„Die deutsche Mannschaft, sie ist auf dem Platz“, erklärt uns ein anderer.  Woher kommt dieses völlig überflüssige „sie“? Welchen Sinn hat diese merkwürdige Satzkonstruktion und was will der Journalist damit ausdrücken? Warum ist sie plötzlich so sehr in Mode gekommen, nicht nur im Sport, sondern generell („Der Wald, er erholt sich“ oder „Die Antarktis, sie wird kein Naturschutzgebiet“)?

Irgendjemand muss den Journalisten beigebracht haben, dass eine Frage durch das Wort „wie“ gekennzeichnet ist und seither stürmen die Pressevertreter mit ihren rhetorischen Scheuklappen durch den Mediendschungel, ohne nach rechts oder links zu sehen. Beim Interview mit dem CSU-Abgeordneten Manfred Weber fragte der Vertreter der Südwest-Presse: „Wie überrascht sind Sie von der Ausspäh-Affäre?“ Kann Herr Weber diese Frage überhaupt vernünftig beantworten? Welche Facetten bietet Überraschung, aus denen man auswählen kann? Noch  weniger verständlicher ist die Frage eines Vertreters von op-online: „Herr Müller, wie groß ist die Enttäuschung bei Ihnen, jetzt, fünf Tage nach der Wahl?“ Was soll Herr Müller erwidern, einen Metzer sechsundsiebzig vielleicht? In welcher Einheit misst man Enttäuschung?

Gestern stach mir eine Schlagzeile bei web.de ins Auge und ich bin froh, dass ich keine Verletzung davongetragen habe. In großen Lettern stand zu lesen: Kann Lena „Supertalent“? Ich konnte es kaum glauben und las die Zeile noch einmal: Kann Lena „Supertalent“? Wer Lena ist, interessiert mich nicht, doch ich möchte dem Verfasser dieser Schlagzeile entgegenrufen: „Hast du deutsch?“


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