Freitag, 28. Juni 2013

Sie wissen aber schon, dass ...

Kennen Sie diese Eröffnung? Sie wissen aber schon, dass ...  ist die Einleitung für eine Behauptung, die als rhetorische Frage gemeint ist und nur eine bestätigende Antwort zulässt, bei der man aber überhaupt nicht wissen möchte, was man schon weiß. Die Wendung hat etwas eindeutig Feminines, so könnte man meinen, denn man hört sie höchst selten von Männern (und falls doch, hält man sie für schwul). Tatsächlich aber täte man den vielen liebenswerten Frauen unrecht, wenn man diesem Gedanken folgte, denn die Eröffnung wird nur von einer sehr kleinen Gruppe sehr spezieller Frauen verwendet. Man erkennt sie oft auf den ersten Blick und stellt sich dabei unwillkürlich die Frage: Hat ihr Frisör das freiwillig getan oder musste sie ihn mit Geld dazu überreden? 

Die Frisur ist ebenso wie die Kleidung Ausdruck der Persönlichkeit. Wenn die Haare einer Frau das Gesicht kinnlang umrahmen, hach hinten immer kürzer werden und im halb ausrasierten Nacken nur noch einen Teil des Hinterkopfs bedecken, dann ist Vorsicht geboten! Die Trägerin dieser Frisur könnte eine Vertreterin der Art von Frauen sein, die es meisterlich versteht, ihre Stimme so vorwurfsvoll klingen zu lassen, dass selbst ihr Luftholen zum Widerspruch reizt. Ihre Kinder heißen Sören und Annika und wenn Sören Annika den Frühstückskakao über das fair gehandelte, biologisch abbaubare T-Shirt kippt, dann weist sie ihn darauf hin, dass das so nicht vereinbart war. In diesem Augenblick mag man sich fragen, ob Annika der Vereinbarung gemäß  ihren Bruder mit Kakao hätte taufen sollen.

Sie wissen aber schon, dass ... klingt wie Fingernägel auf einer Schultafel und die Sprecherin wirkt dabei so sympatisch wie ein Nachzahlungsbescheid vom Finanzamt. An guten Tagen nennt man sie schnippisch, an schlechten überheblich. Überschnippisch wäre wohl der Durchschnittswert und "was geht dich das an?" ist eine natürliche Reaktion auf ihre Frage. Manchmal bleibt einem aber auch nur ein verständnisloses Kopfschütteln, das die Qualität einer Kapitulation hat, denn es fehlen einem die Worte. Dabei hätte man genügend Auswahl für eine Erwiderung, doch man weiß um deren Nutzlosigkeit. Es wäre einfacher, einem Orang-Utan die Neue Deutsche Rechtschreibung verständlich zu machen.

Sie halten das für übertrieben? Sie glauben, dieser Text sei polemisch? Vielleicht haben Sie recht. Schreiben Sie einen Kommentar und schlagen Sie ein Wort vor, das die folgende Situation treffend beschreibt. Ich schicke voraus, dass sich die nachfolgende Szene vor einigen Tagen tatsächlich zugetragen hat.

Ein Gasthaus auf dem Lande trägt meist einen Namen wie "Zum Hirschen" oder "Zur Linde". Schon der Name impliziert, was eine handbeschriebene Tafel am Eingang bestätigt: Gutbürgerliche Küche. Die rustikale Einrichtung verströmt einen ländlichen Charme und in der Nähe des Tresens steht der Stammtisch. Selbst ohne Fremdsprachenkenntnisse ist die übersichtliche Speisekarte leicht und verständlich zu lesen. Sie bietet unter anderem Schnitzel, Steak und ein Paar Würste, Pommes, Bratkartoffeln und Spätzle, ein kleiner gemischter Salat und eine Tagessuppe. Niemand, dem der Sinn nach fangfrischen Austern und einem Gläschen Château de Bligny steht, käme auf die Idee, ein solches Gasthaus aufzusuchen. Warum die Frau, deren Frisur wie eingangs beschrieben die Signalwirkung einer roten Ampel hat, dieses Gasthaus aufsuchen musste, um das Loch in ihrem Magen zu stopfen, wird sie wohl nur selbst wissen. Mit überschnippischem Blick studiert sie die Speisekarte und ein Hauch paradox anmutender Genugtuung liegt in ihren Augen, als sie die Bedienung an ihren Tisch zitiert, um die groteskeste aller möglichen Behauptungen aufzustellen: "Sie wissen aber schon, dass Sie nichts für Veganer auf Ihrer Karte haben!"

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