Deutschland hat gewählt. Die
Sieger klopfen sich auf die Schultern und die Verlierer lecken ihre Wunden. Das
alleine ist schon erwähnenswert, lehrte uns doch die Vergangenheit, dass es
nach Bundestagswahlen prinzipiell nur Sieger gibt. Dass dies in diesem Jahr
nicht zutrifft, liegt an den veränderten Zielsetzungen der Parteien. Manche
wollen regieren, andere würden schon ganz gerne und wieder andere haben
endgültig die Schnauze voll. Sie sind des Regierens überdrüssig und ziehen von
dannen. Nach uns die Sintflut, könnten sie rufen, doch am ersten Tag nach der
Wahl kämpfen sie noch mit den Fluten, die sie dem Zauberlehrling gleich selbst
gerufen haben und nun nicht mehr loswerden.
Überrascht haben mich die
überraschten Gesichter jener Politnasen, die sich „liberal“ ans Revers heften,
während sie sich gleichzeitig am Gängelband der Wirtschaft durch die Manege
führen lassen. Fünfzig Jahre lang haben sie die Politik in Deutschland geprägt,
waren Königsmörder und Königsmacher zu einer Zeit, als die Partei noch Ohren
besaß, mit denen sie den Stimmungen im Lande lauschen konnte. Als der
dienstälteste Außenminister der Republik samt seinen Ohren in den Ruhestand
ging und Möllemann durch eine sprunghafte Entscheidung auf seine Pension verzichtete,
fasste die FDP den Vorsatz, sich selbst aufzulösen. Ein ganzes Jahrzehnt
schrumpfte sie gletschergleich langsam, aber stetig, nicht prozentual, sondern
substanziell.
Das „Guidomobil“, in dem Kanzlerkandidat
Westerwelle durch die Republik spaßte, entpuppte sich zehn Jahre später als
Zug, der nach Nirgendwo fuhr. Innerparteiliche Macht- und Grabenkämpfe
ersetzten aktive und attraktive Politik. Nach der Demontage Westerwelles
versuchten die Liberalen, ihre Boyband um Christian Lindner in den Charts zu
platzieren, ohne freilich einen Hit in petto zu haben. Mit ihrem Frontmann Philipp
Rösler, der über die politische Durchschlagskraft eines Plüschteddys verfügt,
entmaterialisierte sich die Partei. Man zog sich aus dem Wahlkampf zurück,
besetzte keine Themen, traf keine Aussagen, verzichtete auf Inhalte und
hinterließ nur noch sanfte, pastellblaue Grüße, verkauderwelscht dargeboten von
einem weinselig grinsenden Bruder Rainerle.
Geschichte wiederholt sich nicht
und so stelle ich mir vor, wie Rudi Dutschke und Ulrike Meinhof auf einer Wolke
sitzen, einen Joint rauchen und verwundert die Köpfe darüber schütteln, dass ausgerechnet
die FDP zur führenden Kraft der außerparlamentarischen Opposition geworden ist,
zumindest theoretisch, denn es mangelt den Liberalen an allem, was mit Kraft
und Führung zu tun hat. Ob die APO, die bis gestern FDP hieß, noch einmal eine
Rolle in der deutschen Politik spielen wird, darf getrost bezweifelt werden.
Dutschke und Meinhof sind schon lange tot.
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