Montag, 23. September 2013

Pastellblaue Grüße

Deutschland hat gewählt. Die Sieger klopfen sich auf die Schultern und die Verlierer lecken ihre Wunden. Das alleine ist schon erwähnenswert, lehrte uns doch die Vergangenheit, dass es nach Bundestagswahlen prinzipiell nur Sieger gibt. Dass dies in diesem Jahr nicht zutrifft, liegt an den veränderten Zielsetzungen der Parteien. Manche wollen regieren, andere würden schon ganz gerne und wieder andere haben endgültig die Schnauze voll. Sie sind des Regierens überdrüssig und ziehen von dannen. Nach uns die Sintflut, könnten sie rufen, doch am ersten Tag nach der Wahl kämpfen sie noch mit den Fluten, die sie dem Zauberlehrling gleich selbst gerufen haben und nun nicht mehr loswerden.

Überrascht haben mich die überraschten Gesichter jener Politnasen, die sich „liberal“ ans Revers heften, während sie sich gleichzeitig am Gängelband der Wirtschaft durch die Manege führen lassen. Fünfzig Jahre lang haben sie die Politik in Deutschland geprägt, waren Königsmörder und Königsmacher zu einer Zeit, als die Partei noch Ohren besaß, mit denen sie den Stimmungen im Lande lauschen konnte. Als der dienstälteste Außenminister der Republik samt seinen Ohren in den Ruhestand ging und Möllemann durch eine sprunghafte Entscheidung auf seine Pension verzichtete, fasste die FDP den Vorsatz, sich selbst aufzulösen. Ein ganzes Jahrzehnt schrumpfte sie gletschergleich langsam, aber stetig, nicht prozentual, sondern substanziell.

Das „Guidomobil“, in dem Kanzlerkandidat Westerwelle durch die Republik spaßte, entpuppte sich zehn Jahre später als Zug, der nach Nirgendwo fuhr. Innerparteiliche Macht- und Grabenkämpfe ersetzten aktive und attraktive Politik. Nach der Demontage Westerwelles versuchten die Liberalen, ihre Boyband um Christian Lindner in den Charts zu platzieren, ohne freilich einen Hit in petto zu haben. Mit ihrem Frontmann Philipp Rösler, der über die politische Durchschlagskraft eines Plüschteddys verfügt, entmaterialisierte sich die Partei. Man zog sich aus dem Wahlkampf zurück, besetzte keine Themen, traf keine Aussagen, verzichtete auf Inhalte und hinterließ nur noch sanfte, pastellblaue Grüße, verkauderwelscht dargeboten von einem weinselig grinsenden Bruder Rainerle.

Geschichte wiederholt sich nicht und so stelle ich mir vor, wie Rudi Dutschke und Ulrike Meinhof auf einer Wolke sitzen, einen Joint rauchen und verwundert die Köpfe darüber schütteln, dass ausgerechnet die FDP zur führenden Kraft der außerparlamentarischen Opposition geworden ist, zumindest theoretisch, denn es mangelt den Liberalen an allem, was mit Kraft und Führung zu tun hat. Ob die APO, die bis gestern FDP hieß, noch einmal eine Rolle in der deutschen Politik spielen wird, darf getrost bezweifelt werden. Dutschke und Meinhof sind schon lange tot.



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