Donnerstag, 4. Juli 2013

Blowing in the wind

Der Name Edward Snowden ist zurzeit in aller Munde, doch wer kennt Gustl Mollath? Erinnert sich noch jemand an Rudolf Schmenger, Marco Wehner und die Eheleute Heiko und Tina Feser? Nichts ist so alt wie die Zeitung von gestern, doch manches sollte man trotzdem im Gedächtnis behalten, damit man nicht versehentlich über die Risse im Fundament unserer freiheitlich, demokratischen Grundordnung stolpert.

Rudolf Schmenger, Marco Wehner und die Eheleute Heiko und Tina Feser waren vier Beamte, die als Steuerfahnder in Hessen gearbeitet haben. Jahrelang hatten sie sich mit Fällen beschäftigt, die Konten in Liechtenstein betrafen, unter anderem der Fall der „Stiftung Zaunkönig“. Unter der Leitung des damaligen Ministerpräsidenten Roland Koch (CDU) hatte dessen Berater Horst Weyrauch Parteigelder in Höhe von zwanzig Millionen D-Mark auf Schwarzgeldkonten versteckt. Als die findigen Fahnder schon glaubten, sie hätten durch ihre erfolgreiche Arbeit dem Steuerzahler ein hübsches Sümmchen gesichert, zog man sie flugs geschwind aus dem Verkehr. Ein Gutachter bescheinigte allen vieren Paranoia und sie wurden allesamt zwangspensioniert.

Gustl Mollath war ein Whistleblower, lange bevor dieser Ausdruck Eingang in den deutschen Sprachgebrauch gefunden hatte. Im Jahr 2006 hatte Mollath seine damalige Ehefrau bei der Staatsanwaltschaft angezeigt, weil sie in Schwarzgeldgeschäfte ihres Arbeitgebers HypoVereinsbank verwickelt gewesen war. Mit seiner Anzeige hatte er auch diverse schriftliche Beweise eingereicht. Die Begleitumstände sprachen jedoch gegen ihn, denn zwischen den Eheleuten tobte ein Scheidungskrieg. Das Landgericht Nürnberg-Fürth bügelte Mollaths Anzeige als Hirngespinste ab, die seinem paranoiden Wahnsystem entsprungen seien.  Er wurde als für die Allgemeinheit gefährlich eingestuft und in den Maßregelvollzug in einer geschlossenen Psychiatrie überstellt. Unbeachtet blieb dabei ein interner Revisionsbericht der HypoVereinsbank aus dem Jahr 2003, der Mollaths Anschuldigungen gegen seine damalige Ehefrau teilweise stützte.

Das Gutachten, das die hessischen Steuerfahnder als paranoid eingestuft hatte, wurde durch ein Gegengutachten widerlegt und der Gutachter wurde wegen vorsätzlicher Falschbegutachtung zu einer Geldstrafe von 12.000 Euro verurteilt. Gustl Mollath indessen bleibt vorerst weiter in der geschlossenen Abteilung der Psychiatrie, wo er seit sieben Jahren gegen seine zwangsweise Unterbringung kämpft. Allerdings ist mittlerweile Bewegung in die Sache gekommen. Das Bundesverfassungsgericht fordert von der bayrischen Justizministerin Beate Merk (CSU) eine Stellungnahme. Monatelang hatte Merk behauptet, Mollath habe ein verzerrtes Wahrnehmungsbild. Er habe schwere Straftaten begangen, weil er krank und für die Allgemeinheit gefährlich sei. Nun jedoch vollzieht die bayrische Justizministerin eine Kehrtwende und sagt in einem Interview mit der Augsburger Allgemeinen, dass Mollaths Schicksal sie bewege und dass nach ihrer Auffassung die Unterbringung des Mannes mit zunehmender Dauer unverhältnismäßig sei.

Man könnte meinen, Frau Merk sei zur Vernunft gekommen. Man könnte auch denken, dass das ungewisse Schicksal von Edward Snowden, dem amerikanischen Whistleblower, dem deutschen Kollegen eine Tür geöffnet habe. Beides ist möglich, doch wenig wahrscheinlich. Im Jahr 2006 sprachen die Begleitumstände (Scheidungskrieg) gegen Mollath und der Mann musste von der Bildfläche verschwinden. Heute, sieben Jahre später, sprechen die Begleitumstände für Mollath. Nun muss das Thema von der Bildfläche verschwinden. Vielleicht steckt eine Weisung des bayrischen Ministerpräsidenten Horst Seehofer (CSU) dahinter – ein Schelm, wer Böses dabei denkt – aber vielleicht ist es auch nur ein Zufall, dass am 15. September in Bayern ein neuer Landtag gewählt wird.



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