Der Name Edward Snowden ist zurzeit in aller Munde, doch wer
kennt Gustl Mollath? Erinnert sich noch jemand an Rudolf Schmenger, Marco
Wehner und die Eheleute Heiko und Tina Feser? Nichts ist so alt wie die Zeitung
von gestern, doch manches sollte man trotzdem im Gedächtnis behalten, damit man
nicht versehentlich über die Risse im Fundament unserer freiheitlich,
demokratischen Grundordnung stolpert.
Rudolf Schmenger, Marco Wehner und die Eheleute Heiko und
Tina Feser waren vier Beamte, die als Steuerfahnder in Hessen gearbeitet haben.
Jahrelang hatten sie sich mit Fällen beschäftigt, die Konten in Liechtenstein
betrafen, unter anderem der Fall der „Stiftung Zaunkönig“. Unter der Leitung
des damaligen Ministerpräsidenten Roland Koch (CDU) hatte dessen Berater Horst
Weyrauch Parteigelder in Höhe von zwanzig Millionen D-Mark auf Schwarzgeldkonten
versteckt. Als die findigen Fahnder schon glaubten, sie hätten durch ihre
erfolgreiche Arbeit dem Steuerzahler ein hübsches Sümmchen gesichert, zog man
sie flugs geschwind aus dem Verkehr. Ein Gutachter bescheinigte allen vieren
Paranoia und sie wurden allesamt zwangspensioniert.
Gustl Mollath war ein Whistleblower, lange bevor dieser
Ausdruck Eingang in den deutschen Sprachgebrauch gefunden hatte. Im Jahr 2006
hatte Mollath seine damalige Ehefrau bei der Staatsanwaltschaft angezeigt, weil
sie in Schwarzgeldgeschäfte ihres Arbeitgebers HypoVereinsbank verwickelt
gewesen war. Mit seiner Anzeige hatte er auch diverse schriftliche Beweise
eingereicht. Die Begleitumstände sprachen jedoch gegen ihn, denn zwischen den
Eheleuten tobte ein Scheidungskrieg. Das Landgericht Nürnberg-Fürth bügelte
Mollaths Anzeige als Hirngespinste ab, die seinem paranoiden Wahnsystem
entsprungen seien. Er wurde als für die
Allgemeinheit gefährlich eingestuft und in den Maßregelvollzug in einer geschlossenen
Psychiatrie überstellt. Unbeachtet blieb dabei ein interner Revisionsbericht
der HypoVereinsbank aus dem Jahr 2003, der Mollaths Anschuldigungen gegen seine
damalige Ehefrau teilweise stützte.
Das Gutachten, das die hessischen Steuerfahnder als paranoid
eingestuft hatte, wurde durch ein Gegengutachten widerlegt und der Gutachter
wurde wegen vorsätzlicher
Falschbegutachtung zu einer Geldstrafe von 12.000 Euro verurteilt. Gustl
Mollath indessen bleibt vorerst weiter in der geschlossenen Abteilung der
Psychiatrie, wo er seit sieben Jahren gegen seine zwangsweise Unterbringung
kämpft. Allerdings ist mittlerweile Bewegung in die Sache gekommen. Das
Bundesverfassungsgericht fordert von der bayrischen Justizministerin Beate Merk
(CSU) eine Stellungnahme. Monatelang hatte Merk behauptet, Mollath habe ein
verzerrtes Wahrnehmungsbild. Er habe schwere Straftaten begangen, weil er krank
und für die Allgemeinheit gefährlich sei. Nun jedoch vollzieht die bayrische
Justizministerin eine Kehrtwende und sagt in einem Interview mit der Augsburger
Allgemeinen, dass Mollaths Schicksal sie bewege und dass nach ihrer Auffassung
die Unterbringung des Mannes mit zunehmender Dauer unverhältnismäßig sei.
Man könnte meinen, Frau Merk sei zur Vernunft gekommen. Man
könnte auch denken, dass das ungewisse Schicksal von Edward Snowden, dem
amerikanischen Whistleblower, dem deutschen Kollegen eine Tür geöffnet habe.
Beides ist möglich, doch wenig wahrscheinlich. Im Jahr 2006 sprachen die
Begleitumstände (Scheidungskrieg) gegen Mollath und der Mann musste von der
Bildfläche verschwinden. Heute, sieben Jahre später, sprechen die
Begleitumstände für Mollath. Nun muss das Thema von der Bildfläche
verschwinden. Vielleicht steckt eine Weisung des bayrischen Ministerpräsidenten
Horst Seehofer (CSU) dahinter – ein Schelm, wer Böses dabei denkt – aber vielleicht
ist es auch nur ein Zufall, dass am 15. September in Bayern ein neuer Landtag
gewählt wird.
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