Ja, das waren noch Zeiten, als die schwäb´sche Eise´bahn von
Stuttgart über Ulm und Biberach brave Bäuerle beförderte und man am Schalter
ein Billetle kaufen konnte. Wenn man den stets pünktlichen Zug gerade noch auf
den letzten Drücker erwischte, erstand man seinen Fahrschein beim Schaffner,
suchte sich einen Sitzplatz und dachte nicht darüber nach, ob man den
Anschlusszug noch bekommen würde. Früher war halt alles besser, da sind wir uns
doch einig, oder?
„Schmarrn!“, wird uns Peter Ramsauer, Bundesminister für die
kostengünstige Verschickung humaner Reisegüter, entgegenschleudern. Seit vielen
Jahren wird die Bahn verbessert. Man entwickelt neue Konzepte, trennt den Zug wirtschaftlich
von der Schiene und schließt kostenintensive Service-Points, um zu verhindern, dass
Kunden, die früher Reisende hießen, falsch beraten werden. Da also die Bahn
über Jahrzehnte ständig verbessert wurde, kann früher überhaupt nichts besser
gewesen sein. Logisch? Nein, falsche Frage. Die richtige Frage lautet: Basta!
Kein anderer Kostenfaktor bietet so viel Einsparpotenzial
wie der Mitarbeiter. Aus einem Schaltschrank kann man keine Sicherung
entfernen, ohne dass das System zusammenbricht, aber eine Belegschaft kann man
locker um die Hälfte verringern. Wozu braucht man Schalter, wenn es Automaten
gibt? Begeisterte Kunden nutzen ihre neu erworbene Freiheit beim Surfen im
Internet und finden so immer neue Wege, die nach Rom führen, selbst wenn sie eigentlich
nach Braunschweig wollen. Sie drucken ihre Fahrscheine zuhause aus und genießen
die rasante Fahrt meist stehend und in geselliger Runde. Natürlich kann man auch eine Sitzplatz-Reservierung buchen und hat damit einen Sitzplatz in Reserve,
falls der Zug wider Erwarten doch nicht überfüllt sein sollte. Immer schnellere
Züge bieten immer mehr Verspätungspotenzial und das Umsteige-Bingo ist nach der
Ziehung der Lottozahlen das bekannteste Glücksspiel in Deutschland. Die Bahn
kommt. Jede Frage nach dem „wann“ zeugt von Kleingeistigkeit und würde die
lange Tradition von Freiheit und Abenteuer zunichte machen, die wir uns seit
dem Orientexpress und der Transsibirischen mühsam bewahrt haben.
Die enormen Effizienzsteigerungen, die wir seit Jahren
beobachten, haben natürlich auch dazu geführt, dass Bahnfahren immer billiger
wurde. Die Fahrten kosten zwar immer mehr Geld, doch aus dem luxuriösen
Beförderungsmittel von einst ist heute ein billiger Viehtransporter geworden,
in dem sich schwitzende Leiber gegeneinander drängen, eingepfercht in rasende
Sardinenbüchsen, von denen wir hoffen, dass sie dort ankommen, wohin wir
eigentlich wollen – zum Beispiel nach Mainz – während wir jeden Gedanken an
Wartungsintervalle aus unserem Bewusstsein verdrängen. Wir ertragen all dies
klaglos, denn in unserem tiefsten Inneren erfüllt uns der Gedanke, dass die
Bahn das ökologischste aller Transportmittel ist, mit tiefer Befriedigung.
Zurück zur Natur kann nur mit der Bahn gelingen, in deren Zügen wir im Sommer
schwitzen und im Winter frieren – ganz so, wie es sein soll.
Im Ringelreihen der Wahlkampfthemen hat die Bahn jetzt
ebenfalls einen Platz gefunden. Es wird diskutiert, vor- und zurückgeschlagen
und jeder hat etwas beizusteuern. Regierung, Opposition und Experten streiten
um die richtige Richtung, um Geld und Wählerstimmen, doch am Schluss wird es so
sein wie immer und das Ende ist absehbar. Wer nur eingleisig denkt, darf sich
nicht wurden, wenn sein Zug nach Nirgendwo fährt.