Dienstag, 13. August 2013

Wer will schon nach Mainz?

Ja, das waren noch Zeiten, als die schwäb´sche Eise´bahn von Stuttgart über Ulm und Biberach brave Bäuerle beförderte und man am Schalter ein Billetle kaufen konnte. Wenn man den stets pünktlichen Zug gerade noch auf den letzten Drücker erwischte, erstand man seinen Fahrschein beim Schaffner, suchte sich einen Sitzplatz und dachte nicht darüber nach, ob man den Anschlusszug noch bekommen würde. Früher war halt alles besser, da sind wir uns doch einig, oder?

„Schmarrn!“, wird uns Peter Ramsauer, Bundesminister für die kostengünstige Verschickung humaner Reisegüter, entgegenschleudern. Seit vielen Jahren wird die Bahn verbessert. Man entwickelt neue Konzepte, trennt den Zug wirtschaftlich von der Schiene und schließt kostenintensive Service-Points, um zu verhindern, dass Kunden, die früher Reisende hießen, falsch beraten werden. Da also die Bahn über Jahrzehnte ständig verbessert wurde, kann früher überhaupt nichts besser gewesen sein. Logisch? Nein, falsche Frage. Die richtige Frage lautet: Basta!

Kein anderer Kostenfaktor bietet so viel Einsparpotenzial wie der Mitarbeiter. Aus einem Schaltschrank kann man keine Sicherung entfernen, ohne dass das System zusammenbricht, aber eine Belegschaft kann man locker um die Hälfte verringern. Wozu braucht man Schalter, wenn es Automaten gibt? Begeisterte Kunden nutzen ihre neu erworbene Freiheit beim Surfen im Internet und finden so immer neue Wege, die nach Rom führen, selbst wenn sie eigentlich nach Braunschweig wollen. Sie drucken ihre Fahrscheine zuhause aus und genießen die rasante Fahrt meist stehend und in geselliger Runde. Natürlich kann man auch eine Sitzplatz-Reservierung buchen und hat damit einen Sitzplatz in Reserve, falls der Zug wider Erwarten doch nicht überfüllt sein sollte. Immer schnellere Züge bieten immer mehr Verspätungspotenzial und das Umsteige-Bingo ist nach der Ziehung der Lottozahlen das bekannteste Glücksspiel in Deutschland. Die Bahn kommt. Jede Frage nach dem „wann“ zeugt von Kleingeistigkeit und würde die lange Tradition von Freiheit und Abenteuer zunichte machen, die wir uns seit dem Orientexpress und der Transsibirischen mühsam bewahrt haben.

Die enormen Effizienzsteigerungen, die wir seit Jahren beobachten, haben natürlich auch dazu geführt, dass Bahnfahren immer billiger wurde. Die Fahrten kosten zwar immer mehr Geld, doch aus dem luxuriösen Beförderungsmittel von einst ist heute ein billiger Viehtransporter geworden, in dem sich schwitzende Leiber gegeneinander drängen, eingepfercht in rasende Sardinenbüchsen, von denen wir hoffen, dass sie dort ankommen, wohin wir eigentlich wollen – zum Beispiel nach Mainz – während wir jeden Gedanken an Wartungsintervalle aus unserem Bewusstsein verdrängen. Wir ertragen all dies klaglos, denn in unserem tiefsten Inneren erfüllt uns der Gedanke, dass die Bahn das ökologischste aller Transportmittel ist, mit tiefer Befriedigung. Zurück zur Natur kann nur mit der Bahn gelingen, in deren Zügen wir im Sommer schwitzen und im Winter frieren – ganz so, wie es sein soll.

Im Ringelreihen der Wahlkampfthemen hat die Bahn jetzt ebenfalls einen Platz gefunden. Es wird diskutiert, vor- und zurückgeschlagen und jeder hat etwas beizusteuern. Regierung, Opposition und Experten streiten um die richtige Richtung, um Geld und Wählerstimmen, doch am Schluss wird es so sein wie immer und das Ende ist absehbar. Wer nur eingleisig denkt, darf sich nicht wurden, wenn sein Zug nach Nirgendwo fährt.

Montag, 5. August 2013

Mein Recht auf Gemüsesuppe

Grün ist die Hoffnung, sagt ein altes Sprichwort, doch nach meiner Meinung ist es hoffnungslos daneben, was Frau Künast in einem Interview kürzlich zum Besten gab. Sie plädiert für die Einführung eines „Veggie-Day“. Einmal abgesehen davon, dass „Gemüsetag“ auch ein schönes Wort ist, aber leider längst nicht so „hip“ (modern) klingt wie „Veggie-Day“, ist die Idee, die dahintersteckt, im Grunde wirklich nicht schlecht. In Deutschland ist der Konsum von Fleisch und Fleischprodukten ziemlich hoch und es würde nicht schaden, ihn ein wenig nach unten zu fahren. 

Gut gemeint ist wieder einmal das Gegenteil von gut gemacht. Der „Veggie-Day“ passt deshalb unglaublich gut in die politische „Sour-Gherkin-Time“ (Saure-Gurken-Zeit) zwischen Sommeranfang und Bundestagswahl. Ausgerechnet die Partei jener Leute, die in ihrer Gründungsphase den liberalen Gedanken bis über die Schmerzgrenze hinaus strapaziert haben, ruft nach einem Verbot. In deutschen Kantinen soll nach dem Willen der Gurkentruppe per Gesetz vorgeschrieben werden, dass an einem Tag pro Woche weder Fleisch noch Wurst, des Deutschen liebstes Gemüse, verkauft werden darf. Die Menüauswahl soll sich dann auf vegetarisch vs. vegan beschränken. Das sei gut für das Klima, so Künast weiter. Ich komme nicht umhin, ihr zuzustimmen, vor allem, wenn französische Zwiebelsuppe oder Bohnen mit Lauchgemüse serviert werden.

Wie sehr die Grünen im real existierenden Politikbetrieb angekommen sind, zeigt der Ruf nach einem Verbot. Es genügt nicht, dass in den meisten deutschen Kantinen bereits vegetarische Gerichte angeboten werde – und zwar täglich! – hier muss Big Sister Renate herrschend eingreifen. Ich ahne bereits, dass es dann auch einen „Make-Down-Day“ (einen Tag ohne Make Up)  geben wird, weil Kosmetika mit Hilfe von Tierversuchen entwickelt werden. Ein „Feierabendsprudel-Tag“ ohne Bier, ein „Hot-Water-Day“ (Kaffee ohne Kaffee, ohne Milch und ohne Zucker) und ein „Bio-Kondom-Tag“ (Jute statt Plastik) werden folgen. Man könnte den Bürgern jeden Tag etwas verbieten und sie so von der lästigen Mühe eigener Entscheidungen befreien. Jedes Verbot ließe sich sicherlich auch ökologisch begründen und nachhaltig verfolgen. Nur den „Keinen-Senf-Tag“, einen Tag ohne debiles Politikergeschwätz, wird es vermutlich niemals geben.


„Grüne wollen uns das Fleisch verbieten!“ titelt bereits die BILD-Zeitung, jener unerschrockene Kämpfer für die deutsche Grillgemütlichkeit. Ich stimme selten mit dem amtlichen Stammtisch-Sprachrohr überein und auch wenn mein wöchentlicher Fleischkonsum eher gering ist, so will ich mir dennoch nicht in meinen täglichen Speiseplan hineinreden lassen.  Wenn ich morgen Lust auf eine Gemüsesuppe habe, will ich nicht bis zum „Veggie-Day“ warten müssen.