Gestern habe ich im Bundeskanzleramt angerufen. Ich habe
Angela Merkel zum Geburtstag gratuliert und ich habe meine Empörung über die
Abhöraffäre zum Ausdruck gebracht. Leider konnte ich mit Frau Merkel nicht
persönlich sprechen. „Ich werde das so weitergeben“, antwortete eine hörbar
verstörte Sekretärin. Für die Dame am anderen Ende der Leitung schien der Anruf
ziemlich ungewöhnlich, wenn nicht gar höchst überraschend gewesen zu sein. Ich
konnte mich des Eindrucks nicht erwehren, als habe das noch niemand vor mir
gemacht.
Mir käme es ziemlich ungewöhnlich, wenn nicht gar höchst
überraschend vor, wenn Bürger nicht bei der Regierung anrufen würden, um darauf
hinzuweisen, dass sie mit diesem oder jenem nicht einverstanden sind. Soziale
Netzwerke, Blogs, Foren und Kommentare zu Artikeln sind voll von
Meinungsäußerungen zum Thema „Snowden, NSA und BND“. Ganz offensichtlich sind
viele Bürger empört und nicht damit einverstanden, dass der Artikel 10 des
Grundgesetzes, das unverletzliche Brief-,
Post- und Fernmeldegeheimnis, von den Geheimdiensten im Auftrag der Regierung
ausgehebelt wird. Eigentlich sollten die Telefone im Berliner Regierungsviertel
nicht mehr stillstehen, doch die Reaktion der Sekretärin lässt mich Gegenteiliges
befürchten.
Die Empörung der Bürger gleicht dem Schuss aus einer
Schrotflinte. Das Internet bietet breiten Raum für die Streuung der Kritik und
mit zunehmender Entfernung zum Ziel nimmt die Wirkung dramatisch ab. Im
Umkehrschluss bedeutet dies, dass die Wirkung zunimmt, wenn man die Kritik
konzentriert. Wenn alle (oder zumindest viele) an einem Tag die gleiche
Telefonnummer wählen, um ihre Kritik zu äußern, dann verhallt dies beim
Kritisierten nicht ungehört. Im besten Fall wird er sogar gezwungen, einen Tag
inne zu halten, um sich mit der Kritik auseinander zu setzen. Die Kritiker formieren
sich zu einem Chor, bei dem durch Konzentration die Stimme des Volkes lauter
ist als die Summe der Stimmen der einzelnen Rufer.
Vielleicht ist meine Idee utopisch. Wir Deutschen sind eher
Untertanen als Bürger und nicht dafür bekannt, dass wir unsere Stimmen gegen die
jeweiligen Regierungen erheben. Glücklicherweise bestätigen Ausnahmen (Montagsdemos
Ende der achtziger Jahre, Stuttgart 21 etc.) die Regel und deshalb werde ich es
versuchen! Ich werde bis zur Bundestagswahl im September jeden Mittwoch zum Tag
der Empörung erklären und die Mitbürger dazu aufrufen, ihrer Stimme selbst
Gehör zu verschaffen. Ich werde jede Woche ein neues Ziel auswählen und eine neue Telefonnummer bekannt geben. Für jeden einzelnen, der sich an der Aktion beteiligt, ist es nur ein einfacher Anruf, aber
alle zusammen sind laut genug, um von „denen da oben“ nicht länger überhört zu
werden.
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