Donnerstag, 18. Juli 2013

Konzentration, bitte!

Gestern habe ich im Bundeskanzleramt angerufen. Ich habe Angela Merkel zum Geburtstag gratuliert und ich habe meine Empörung über die Abhöraffäre zum Ausdruck gebracht. Leider konnte ich mit Frau Merkel nicht persönlich sprechen. „Ich werde das so weitergeben“, antwortete eine hörbar verstörte Sekretärin. Für die Dame am anderen Ende der Leitung schien der Anruf ziemlich ungewöhnlich, wenn nicht gar höchst überraschend gewesen zu sein. Ich konnte mich des Eindrucks nicht erwehren, als habe das noch niemand vor mir gemacht.

Mir käme es ziemlich ungewöhnlich, wenn nicht gar höchst überraschend vor, wenn Bürger nicht bei der Regierung anrufen würden, um darauf hinzuweisen, dass sie mit diesem oder jenem nicht einverstanden sind. Soziale Netzwerke, Blogs, Foren und Kommentare zu Artikeln sind voll von Meinungsäußerungen zum Thema „Snowden, NSA und BND“. Ganz offensichtlich sind viele Bürger empört und nicht damit einverstanden, dass der Artikel 10 des Grundgesetzes, das unverletzliche Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnis, von den Geheimdiensten im Auftrag der Regierung ausgehebelt wird. Eigentlich sollten die Telefone im Berliner Regierungsviertel nicht mehr stillstehen, doch die Reaktion der Sekretärin lässt mich Gegenteiliges befürchten.

Die Empörung der Bürger gleicht dem Schuss aus einer Schrotflinte. Das Internet bietet breiten Raum für die Streuung der Kritik und mit zunehmender Entfernung zum Ziel nimmt die Wirkung dramatisch ab. Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass die Wirkung zunimmt, wenn man die Kritik konzentriert. Wenn alle (oder zumindest viele) an einem Tag die gleiche Telefonnummer wählen, um ihre Kritik zu äußern, dann verhallt dies beim Kritisierten nicht ungehört. Im besten Fall wird er sogar gezwungen, einen Tag inne zu halten, um sich mit der Kritik auseinander zu setzen. Die Kritiker formieren sich zu einem Chor, bei dem durch Konzentration die Stimme des Volkes lauter ist als die Summe der Stimmen der einzelnen Rufer.


Vielleicht ist meine Idee utopisch. Wir Deutschen sind eher Untertanen als Bürger und nicht dafür bekannt, dass wir unsere Stimmen gegen die jeweiligen Regierungen erheben. Glücklicherweise bestätigen Ausnahmen (Montagsdemos Ende der achtziger Jahre, Stuttgart 21 etc.) die Regel und deshalb werde ich es versuchen! Ich werde bis zur Bundestagswahl im September jeden Mittwoch zum Tag der Empörung erklären und die Mitbürger dazu aufrufen, ihrer Stimme selbst Gehör zu verschaffen. Ich werde jede Woche ein neues Ziel auswählen und eine neue Telefonnummer bekannt geben. Für jeden einzelnen, der sich an der Aktion beteiligt, ist es nur ein einfacher Anruf, aber alle zusammen sind laut genug, um von „denen da oben“ nicht länger überhört zu werden.

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